Unternehmensethische Grundlagen der Verantwortungs-Kommunikation
28.10.2008
Die Forderung nach einer „Verantwortung für zukünftige Generationen“ (Birnbacher 1988) ist bis heute weit verbreitet. Dieses Postulat wird vor allem an die Politik und die Wirtschaft gerichtet. Seitdem bereits in den 1970er Jahren über die „Grenzen des Wachstums“ (Donella, Meadows, Randers & Behrens 1972) diskutiert wurde und die Grünen sich in den 1980er Jahren als ernstzunehmende politische Partei in der Bundesrepublik Deutschland etablieren konnten, werden die Themen Umweltschutz, Langzeitverantwortung und Nachhaltigkeit als Kategorien ökonomischen Handelns von allen politischen Parteien, Unternehmen und gesellschaftlich relevanten Gruppen als Zielmaxime definiert. (vgl. Birnbacher & Schicha 2001; Fieseler 2008; Meyer 2008).
Hierzu finden sich aktuell u.a. folgende Beispiele: Die Bundesregierung fordert in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland unter www.dialog-nachhaltigkeit.de dazu auf, Verantwortung für die Zukunft zu unternehmen und setzt dabei auf Energieeffizienz und eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft. In einer Verlagsbeilage der Georg Gafron Media Service GmbH erklärt der Automobilkonzern Daimler Benz Nachhaltigkeit zur Chefsache und wirbt mit Nachhaltigkeitsrichtlinien für Lieferanten ebenso wie mit einem Dow Jones Sustainability Index für eine nachhaltige Unternehmensführung. Auch die Telekom macht „Nachhaltigkeit zur Chefsache“. In Zeitungsanzeigen und auf ihrer Internetseite www.telekom.com/verantwortung kündigt das Unternehmen Energieeinsparungsmaßnahmen, Sozialstandards und eine transparente, kontinuierliche und ehrliche Kommunikation nach innen und außen an. Der Energiekonzern RWE hat in seinen „Leitlinien für eine nachhaltige Entwicklung“ ein ethisch einwandfreies Verhalten als unverzichtbare Grundlage für den langfristigen Unternehmenserfolg vorgelegt. Hier wird die Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft hervorgehoben wird. Neben Klimavorsorge und Versorgungssicherheit steht die gesellschaftliche Verantwortung ebenso im Zentrum wie die für die eigenen Mitarbeiter.
Die Februar-Ausgabe der Marketing-Fachzeitschrift Absatzwirtschaft (2010) verweist auf die europaweite Studie „Sustainovation“, in der 1200 börsennotierte Unternehmen in 14 westeuropäischen Ländern befragt worden sind. Dort heißt es: „Für die Mehrheit der Vorstände ist Nachhaltigkeit ein Treiber in Unternehmen. Sie begreifen Klimawandel, knappe Ressourcen oder Weltbevölkerungsexplosion als Motoren für neue Produkte und Ge-schäftsmodelle.“ (o.V. 2010: 8) Das Forum Nachhaltig Wirtschaften widmet sich in seiner ersten Ausgabe 2010 u.a. den Perspektiven einer dezentralen Energieversorgung und dem nachhaltiges Bauen.
Die konkrete Umsetzung derartig idealtypischer Forderungen in der konkreten politischen und ökonomischen Praxis ist jedoch nicht so einfach wie die abstrakte Forderung, verantwortlich und damit nachhaltig gegenüber den jetzigen und nachfolgenden Generationen zu agieren. Unklar sind zudem die präzise Bestimmung des moralischen Verantwortungshorizontes und die daraus resultierenden Pflichten. Überdies ist zu klären, ob es nur primär darum gehen sollte, negative Folgen abzuwenden oder ob eine darüber hinausgehende Pflicht besteht, Gutes zu tun.
Systematisierung und Übersicht über den weitergehenden Forschungsstand zur Verantwortungsethik
„Nötig ist also die Feststellung, wer denn Verantwortung zu übernehmen hat, wofür Verantwortung übernommen werden soll und inwiefern die dann tatsächlich übernommen wird.“ (Altmeppen & Arnold 2010: 342)
Verantwortung als Zurechnung von Folgen, die durch menschliches Handeln bewirkt sind gilt als „ein Schlüssel-begriff in der angewandten Ethik“ (Fischer 2006: 101) und stellt auch „ein Schlüsselwort der Gegenwartsethik“ (Karmasin 1993: 167) dar. Das Wort der Verantwortung wurde bereits ab dem 15. Jahrhundert im Kontext einer individuellen Verpflichtung gebraucht, sich vor einer gerichtlichen Instanz für eine Tat zu rechtfertigen. Die Zurechnungsfähigkeit in Bezug auf eine Übertretung von Gesetzen im Verständnis einer kausalen Urheberschaft einer Person spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein Subjekt haftet für seine Handlungen. Dies ist deshalb relevant, da es über die Möglichkeit verfügt, autonom und eigenverantwortlich zu agieren und über entsprechende Hand-lungsalternativen zu verfügen (Funiok 2007).
Verantwortungszuschreibungen
„Verantwortung bedeutet, dass wir für etwas eintreten und die Folgen tragen, dass wir unser Handeln gegenüber anderen rechtfertigen müssen.“ (Hömberg & Klenk 2010: 41f.)
Bei der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Verantwortung stellt sich zunächst die Frage, wem gegenüber die Verantwortung zu leisten ist. Neben „dem Adressanten, dem gegenüber man Rechenschaft ablegen muss“ (Kaufmann 1992: 24) stellt sich zudem die Frage nach dem „wofür“, also den Verantwortungsobjekten. Durch diese Forderung wird ein Anspruch an eine Person, eine Gruppe oder eine Institution herangetragen.
Beim Blick auf die Verantwortungszuschreibungen können zunächst die kausal zurechenbaren direkten Folgen und Effekte für die Betroffenen von Handlungen und Unterlassungen analysiert werden (Debatin 1997). Hierbei sind auch die der Verantwortung zugrundeliegenden Werte zu reflektieren. Schließlich ist auch die Instanz (u.a. Gewissen, Auftraggeber, Öffentlichkeit) relevant, gegenüber der die Verantwortung getroffen wird. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob verantwortliches Tun aus Angst vor Sanktionen ausgeübt wird oder ob der Verantwortungsakteur hierbei intrinsisch motiviert ist, etwas Positives zu tun. Die dahinterliegenden Normen und Werte hinsichtlich der Reichweite legen fest, ob es sich im konkreten Fall um eine Rollen- oder Universalverantwortung handelt.
Die Verantwortungszuschreibung hängt also auch von den individuellen Fähigkeiten, Aufgaben und Rollen ab. Ein Arzt besitzt eine höhere Verantwortung für Kranke als ein Nicht-Mediziner. Eltern sind in einem höheren Maße für ihre Kinder zuständig als andere Angehörigen. Bergsteiger haften für die Gruppe, mit denen sie unterwegs sind. Der Verantwortungshorizont ist also an die unmittelbare Zuständigkeit gekoppelt. Darüber hinaus gibt es eine situative Verantwortung. Wenn ein Akteur eine Person in Not sieht, ist er zur Hilfe verpflichtet. Dies gilt für qualifizierte Fachkräfte wie Rettungssanitäter jedoch in einem höheren Maße als für ungeübte Passanten. Gleichwohl sind diese aber dafür verantwortlich, Hilfe zu organisieren. Schwieriger wird die Verantwortungszuschreibung hingegen bei komplexeren unternehmerischen Zusammenhängen.
Neben der Verantwortungsinstanz stellt sich Debatin (1997) zufolge die Frage nach den kausal zurechenbaren direkten Folgen einer Handlung oder Unterlassung. Es geht also um die Effekte, die dadurch ausgelöst werden können. Zentral sind auch die Konsequenzen für die Betroffenen, wobei die heutigen unternehmerischen Entscheidungen durchaus Konsequenzen für zukünftige Generationen haben können. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur die Frage nach der Lagerung radioaktiver Abfälle erwähnt. Wird Verantwortung intrinsisch aufgrund einer eigenen Einsicht für ihre Notwendigkeit übernommen oder ist aus einer extrinsischen Perspektive der öffentliche Druck so groß, dass sie deshalb vollzogen wird, um negative Konsequenzen – etwa in Form einer schlechten Presse – zu vermeiden? Schließlich ist zu klären, inwiefern eine Universalverantwortung vermieden werden kann, um eine Überforderung zu vermeiden, die letztlich kontraproduktiv wäre. Aus diesem Grund widmet sich der folgende Abschnitt den Reichweiten und Grenzen der Verantwortung.
Reichweiten und Grenzen der Verantwortung
„Ein Modell gestufter Verantwortung sieht vor, dass die Zurechnung der Verantwortung in einem sozialen System nicht so erfolgen kann, dass jeder prinzipiell für alles verantwortlich ist oder dass bestimmte Gruppen oder Funktionsträger für bestimmte Vorgänge in der Gesellschaft allein verantwortlich ge-macht werden können.“ (Karmasin 2010: 219)
Meyer-Abich (1986) hat ein Modell vorgelegt, das eine Abstufung von Verantwortungshorizonten vornimmt. In einem ersten Schritt wird festgelegt, dass jeder nur für sich selbst verantwortlich ist. Hier werden die Ansprüche anderer ausgeblendet. Neben der eigenen Person tritt in einem weiteren Schritt das unmittelbare soziale Umfeld in Form der eigenen Familie über das eigene Volk bis hin zu den heute lebenden Menschen in den Blickpunkt. Die höchste Verantwortlichkeitsstufe besteht letztlich darin, dass jeder für alles Lebendige und Zukünftige verantwortlich ist und schließlich auf alles Rücksicht nimmt. Hierbei besteht jedoch die Problematik, dass die Last einer derartigen Verantwortungsdimension kaum bewältigt werden kann. Insofern ist es erforderlich, klare Zuschreibungen festzulegen, um Verantwortung angemessen verteilen zu können. Sie „können handlungs-, rollen- und aufgabenbezogen, moralisch und rechtlich geregelt sein“ (Lenk & Maring 1992: 153). Birnbacher (2003: 205) entwickelt ein Schema potentieller Strategien, um moralische Überforderung zu vermeiden:
- Zuweisung einer besonderen Verantwortung an die Träger sozialer Rollen, Definition besonderer Zu-ständigkeiten.
- Begrenzung der Reichweite der Verantwortung nach räumlicher, zeitlicher und sozialer Nähe und Ferne.
- Begrenzung der Verantwortung für die Folgen von Unterlassungen.
- Abstufung der Verantwortung nach der Leistungsfähigkeit, dem Grad der Freiheit in der Übernahme von Verpflichtungen und dem Ausmaß, in dem der Verpflichtete an der Verursachung eines zu bessernden Zustandes beteiligt ist.
Lenk (1997) hingegen differenziert bei der Handlungsverantwortung zwischen einer positiven Kausalverantwortung für bestimmte Handlungen und einer negativen Kausalverantwortung für Unterlassungen. Zudem unterscheidet er zwischen einer generellen Verantwortung für langfristige Handlungsdispositionen und folgen sowie einer Verantwortung für institutionelles, kooperatives Handeln. Hinsichtlich der Rollen und Aufgabenverantwortung werden die Verantwortung zur Rollenerfüllung, die berufsspezifische Aufgabenverantwortung, sowie die kooperative Verantwortung von Institutionen gegenüber ihren Mitgliedern und der Gesellschaft voneinander abgegrenzt. Bei der universalmoralischen Verantwortung sind neben der Selbstverantwortung, die direktsituati-onsaktivierte moralische Handlungsverantwortung für die von Handlungen unmittelbar Betroffenen (Partner, Personen, Lebenswesen), die indirekte moralische Handlungsverantwortung für eventuelle nichtintendierte Folgen von Handlungen und Unterlassungen sowie die höher stufige Verantwortung zur Erfüllung vertraglicher oder formaler Pflichten und die moralische Verantwortung von Institutionen bzw. Kooperationen voneinander zu unterscheiden. Insofern kann von einer „gesplitteten sozialen Verantwortung“ (Altmeppen & Arnold 2010: 341) ausgegangen werden, auf die nachfolgend noch genauer eingegangen wird.
Bezugsebenen ethischer Verantwortung aus einer medienethischen Perspektive
Bevor der Blick auf die Optionen einer ethisch motivierten Verantwortungskommunikation von Wirtschaftunternehmen gerichtet wird, bietet es sich an, den Fokus auf bereits erarbeitete Konzeptionen der Medienethik zu richten, die sich mit den Möglichkeiten und Grenzen von Verantwortungsdimensionen beschäftigt haben, um Anknüpfungspunkte für die Herausforderungen an die Unternehmenskommunikation zu bekommen.
Im Medienkontext verweisen Arnold und Altmeppen (2010) auf diverse Referenzobjekte (u.a. Journalisten, Redaktion, Verleger), die auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlicher Reichweite eine soziale Verantwor-tung übernehmen. So stellt sich im Kontext medienethischer Debatten unter anderem die Frage, wer die Verantwortung für moralisch fragwürdige Ausprägungen der Berichterstattung besitzt. So wird differenziert zwischen der Verantwortung des einzelnen Journalisten für sein Produkt, der Verantwortung der Redaktion, der Institution, der Organisation. Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit auch das Publikum, bzw. die Rezipienten eine Verantwortung besitzen. In der kommunikationswissenschaftlichen und philosophischen Debatte um die Medienethik sind zunächst zwei Ansätze und theoretische Zugangsweisen zu beobachten. Der individualethische Diskurs versucht, allgemeingültige Maßstäbe etwa der Wahrheit und der Freiheit am konkreten Handeln oder Unterlassen (Birnbacher 1985) festzumachen. Systemtheoretische Modellvorstellungen hingegen fokussieren den Blickwinkel nicht auf das Individuum, sondern geben ihre Ausgangsbasis bei den Medien als Teil der gesellschaftlichen Systematik an (Scholl 2010). Darüber hinaus wird weitergehend eine Standesethik der Profession ebenso diskutiert wie die Publikumsethik, die beim Empfänger und nicht beim Betreiber von Medienprogrammen ansetzt. Insgesamt kann zwischen folgenden vier Ansätzen differenziert werden (vgl. auch Altmeppen & Arnold 2010):
- Individualethische Maximen sind als moralische Verhaltensregeln für den einzelnen Journalisten formuliert. Dort werden allgemeine moralische Gewissensnormen des Individuums vorausgesetzt, „die als motivationale Handlungsorientierung und interne Steuerung des Individuums fungieren“ und „konkrete journalistische Praktiken und Verhaltensweisen“ (Debatin 1997: 283) initiieren. Als Vertreter dieses normativontologischen Ansatzes hebt Boventer (1988) in Anlehnung an die Konzeption von Jonas die Verantwortung jedes einzelnen Journalisten für seine Berichterstattung hervor. Journalisten und Journalistinnen besitzen schließlich eine umfassende Rollenverantwortung, die in ihrer Berichterstattung zum Ausdruck kommen muss (Altmeppen & Arnold 2010; Hömberg & Klenk 2010).
- Professionsethische Maßstäbe sollen dafür sorgen, dass das berufliche Verhalten im Kontext der Medienberichterstattung „berechenbar“ ist. Es wird daher in „Standesethiken“ von Seiten der Berufsverbände kodifiziert. Es geht insgesamt darum, berufliches Verhalten berechenbar zu machen und moralisch angemessen zu gestalten. Insgesamt können professionsethische Maßstäbe in Standesethiken (z.B. Deutscher Presserat) im Verständnis einer Selbstkontrolle kodifiziert werden.
- Die System-/Institutionenethik hebt die Verantwortung der Medienunternehmen hervor, um der journalistischen Tätigkeit angemessene Rahmenbedingungen einer sozialverantwortlichen Arbeit zu ermöglichen. Rühl und Saxer (1981) plädieren für eine makroperspektivische Sichtweise journalistischen Handelns un-ter Berücksichtigung der politischen, ökonomischen und juristischen Gegebenheiten. Bei diesem empirischanalytischen Ansatz ruht die Verantwortung dann auch auf den Schultern der Gesetzgeber, Medieneigner und Medienmitarbeiter. Die Ethik kommt hierbei in sozialen Entscheidungsstrukturen zum Tragen, die in Personal- und Sozialsysteme eingebettet wird.
- Bei der Publikumsethik rückt die Verantwortung der Rezipienten in den Blickpunkt. Der mündige Zuschauer soll durch die Verweigerung der Rezeption moralisch fragwürdiger Programminhalte dazu beitragen, das Qualitätsniveau der Programminhalte auf dem Mediensektor anzuheben. Im Rahmen einer Publikumsethik soll eine Zurückweisung minderwertiger oder moralisch zweifelhafter Produkte, etwa durch Programmverzicht oder Boykottaufruf dazu beitragen, sich diesem Ziel anzunähern (Funiok 2007).
- Derartige Abgrenzungen im Mediensektor lassen sich in Teilen auch auf ökonomische Zusammenhänge übertragen.
Anknüpfungen an eine verantwortungszentrierte Unternehmenskommunikation
Die Übernahme von Verantwortung stellt die Erfüllung von Ansprüchen dar, Versprechen für eine bestimmte Bezugsgruppe zu halten (vgl. Suchanek 2010). Da Wirtschaftsunternehmen über Macht und Einfluss verfügen, werden an sie als ethische Akteure und Kooperationen Forderungen herangetragen, Verantwortung wahrzunehmen (Galonska, Imbusch & Rucht 2007; Heidbrink 2008). Nicht nur der Staat (Legalität) und der Markt (Wettbewerb) sind für die Einhaltung von ethischen Regeln zuständig, sondern auch die Unternehmen selbst (vgl. Karmasin 2010). Hierbei lassen sich unterschiedliche Verantwortungsstufen voneinander trennen.
- Bei der Transformation der skizzierten Ansätze auf ökonomisches Handeln ist Lenk (1997) zufolge der einzelne Beschäftigte auf allen Ebenen im Unternehmen zunächst eigenständig verantwortlich für sein Handeln (individualethische Verantwortung).
- Auf einer weiteren Stufe können Unternehmen sich durch die normativen Vorgaben von Selbstkontrollinstanzen wie dem PR-Rat (Avenarius/ Bentele 2009) oder dem Werberat (Schicha 2005) eigene Richtlinien geben, die ein verantwortliches kommunikatives Handeln des Unternehmens festschreiben (Gruppenverantwortung).
- Weiterhin existieren firmeninterne Unternehmenskodizes (z.B. Springer, IBM, Bertelsmann), die bereits in den Arbeitsverträgen ihrer Beschäftigten normative Leitlinien vorgeben (vertragliche Verantwortung).
- Schließlich gibt es eine Reihe von Verbraucherschutzorganisationen, die als Anwälte der Kunden klassifiziert werden. Dabei reicht das Spektrum von den Verbraucherzentralen über Greenpeace bis hin zu Food-Watch („Watchdog“-Verantwortung).
Diese Differenzierung ist von zentraler Bedeutung, um bei der Beschreibung von Konfliktfeldern in der konkreten Praxis Möglichkeiten der Adressierung von Verantwortungszuschreibungen und Handlungsorientierungen zu bieten und im Sinne einer Arbeitsteilung Interdependenzen und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Ebenen aufzuzeigen, was für die Bewertung moralischer Verantwortungszuschreibungen unverzichtbar ist. In der Praxis kommt es schließlich nicht primär darauf an, ethische Werte zu setzen, sondern Entscheidungsprozesse bei konkreten Handlungsalternativen zu organisieren. Dabei ist zu differenzieren, ob Unternehmen Verantwortung nur dann signalisieren, wenn sie sich daraus einen Nutzen im Verständnis eines Tauschgeschäftes erhoffen oder ein grundlegendes proaktives gesellschaftliches Eintreten durchführen, das weit über die Befolgung von Gesetzen hinausgeht (Imbusch & Rucht 2007). So existiert in den USA beispielsweise eine aktive Unternehmenspolitik, die unter anderem darin besteht, gemeinnützige Projekte zu unterstützen (Janes & Stuchtey 2008). Dadurch wird dokumentiert, dass sich Unternehmen neben ihren wirtschaftlichen Aufgaben auch ihrer sozialen Verantwortung innerhalb der Gesellschaft stellen. Derartiges Agieren geschieht in der Regel nicht uneigennützig, sondern dient auch als strategisches PR-Instrument, um die Akzeptanz des Unternehmens nach innen und außen zu sichern.
Vorschläge für die weitere Forschungstätigkeit
Der vorliegende Beitrag hat den Versuch unternommen, notwendige Schritte zu benennen, die für eine weitere Ausdifferenzierung der Verantwortungskommunikation erforderlich sind. Dazu gehört zunächst die systematische Betrachtung der Funktionen, die Moral in Form von Verhaltensorientierung über soziales Vertrauen und der Ermöglichung gewaltloser Konfliktbewältigung bis hin zur Bildung von Kooperationen auszeichnet. Konkret ist zusätzlich eine Transformation abstrakter Postulate erforderlich, um Moral anschlussfähig und praktikabel zu gestalten. Dies ist angesichts der erhobenen Nachhaltigkeitspostulate an die Politik und die Wirtschaft unverzichtbar. Insofern ist das Prinzip Verantwortung mit konkreten Handlungsschritten zu füllen, die transparent durchgeführt und kommuniziert werden sollten.
Verantwortungskommunikation beinhaltet eine Reihe normativer Bestandteile, denen jeder zustimmt, die aber zugleich schwer zu operationalisieren oder gar zu konkretisieren sind. Zentral ist zunächst eine klare Zuordnung, wer auf welcher Ebene für konkrete Aufgaben verantwortlich ist und wo die Grenzen verortet werden können. Hierbei ist zwischen Individuen, Professionen und Institutionen zu differenzieren, die in ihrem jeweiligen Bereich Verantwortung übernehmen. Die Reichweite des Verpflichtungsgrades der Verantwortung hängt von normativen Standards, individuellen und kollektiven Einstellungen, Bereitschaften und Fähigkeiten sowie den konkreten Rahmenbedingungen, Handlungskontexten und Gestaltungsspielräumen ab.
Im Rahmen weiterer Untersuchungen kann zunächst eine Reflexion von Verantwortungspostulaten auf der Ideal-ebene erfolgen, die sich den faktischen Gegebenheiten und Sachzwängen der unternehmerischen Praxis stellen müssen, um praktikabel zu sein. Im Verständnis einer angemessenen Arbeitsteilung sind demzufolge Zuschreibungen und Begrenzungen des Verantwortungshorizontes erforderlich, um handlungsfähig zu bleiben.
Hierbei geht es auch um die Abgrenzung und Eingrenzung zentraler Verantwortungshorizonte, die im Kontext der Unternehmenskommunikation artikuliert und befolgt werden sollen (Lenk & Maring 1992; Schranz 2007).
Zudem ist der konkrete Bedeutungszusammenhang der Verantwortungskommunikation zu klären. Dabei stellen sich folgende Fragen:
- Handelt es sich um Kommunikation über Verantwortungskommunikation?
- Handelt es sich um Kommunikation über die Reichweite von Verantwortung?
- Handelt es sich um Kommunikation um die konkrete Ausgestaltung von Verantwortung?
- Oder handelt es sich um etwas anderes?
Weiterhin ist eine klare Abgrenzung und Eingrenzung der Bedeutung und Umsetzung von Maßnahmen zur Corporate Social Responsibility (Backhaus-Maul 2008a, b) und Corporate Citizenship (Braun 2008; Nährlich 2008), der Corporate Goverance (Altmeppen & Arnold 2010) sowie der Sustainability (Fieseler 2008) notwendig, um konkrete Artikulations- und Umsetzungsmöglichkeiten von Verantwortung für die unternehmerische Praxis bewerkstelligen zu können. Hier liegen bereits entsprechende Ausdifferenzierungen vor. So differenziert Karmasin (2010) u.a. zwischen einer instrumentalistischen, einer karitativen und einer integrativen Corporate Social Responsibility. Zudem lässt sich eine ethisch fundierte Verantwortungskommunikation durch ethische Kodizes, die Berufung von Ombutspersonen und die Durchführung von Ethik-Trainings bewerkstelligen (Karmasin 2010).
Insgesamt könnte ein Kriterienkatalog entwickelt werden, der eine Zuordnung von individuellen, kooperativen und kollektiven Ausprägungen der Verantwortungskommunikation im Unternehmen aufstellt. Daran anknüpfend können grundlegend Verantwortungsdiskurse reflektiert und typologisiert werden. Dabei kann methodisch auch auf Fallstudien und Interviews zur individuellen und gesellschaftlichen Verantwortung zurückgegriffen werden, um eine praktikable Umsetzung von normativen Ansprüchen an eine nachhaltige Langzeitverantwortung inner-halb der konkreten unternehmerischen Praxis erreichen zu können (Imbusch & Rucht 2007; Braun 2008).
Bei der weiteren Systematisierung und Ausdifferenzierung der Verantwortungskommunikation ist ein fachübergreifendes Vorgehen erforderlich (Polterauer 2008). Neben kommunikations- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen der PR-Forschung sind auch Bezüge zur Ökonomie und zur angewandten Ethik erforderlich, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht zu werden.
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