„Marketing in Digital Transformation“ - Beitrag von Prof. Carola Anna Elias
22.12.2014
Prof. Carola Anna Elias vom Fachbereich Medien- und Kommunikationsmanagement der MD.H Berlin über den Wandel von Unternehmenslandschaft, Markenkommunikation und Mediennutzung durch Digitale Transformation.
Neues Jahr, neues Glück, neue Helden!
Nicht nur wir an der Mediadesign Hochschule stellen uns die Frage, welche Implikationen der technologische, soziokulturelle und ökonomische Wandel auf Unternehmenslandschaft, Markenkommunikation und Mediennutzung haben.
Themen wie Digitalisierung, Netzwerkgesellschaft, neue Arbeitswelten und Postwachstumsgesellschaft werden überall heiß diskutiert, so auch auf dem 41. Deutschen Marketingtag in Hamburg. Eine ganzheitliche Steuerung der Marke über eine zentrale Marketingabteilung ist kaum mehr möglich, denn modernes Marketing muss heute den Spagat zwischen IT, Customer-Service, HR und F&E schaffen. Eine nahezu unlösbare Aufgabe? Nicht zwangsläufig, wenn Strukturen, Prozesse und Kompetenzen im Unternehmen neu aufgestellt, ausgerichtet und gebündelt werden. Eine Aufgabe für neue Helden!
Die Studie „Marketingorganisation der Zukunft“ lieferte erste interessante Denkanstöße zu den Fragen: Wie beeinflusst der digitale Wandel die Marketingorganisation der Zukunft? Welche Kompetenzen braucht der CMO (Chief Marketing Officer) morgen? Es wird um eine Neuorganisation unternehmensinterner Prozesse gehen, weg von der Linie, von zentralen Strukturen hin zu den dezentralen Matrixstrukturen einer Projektorganisation. Aufgaben werden in die, auf den Auftrag ausgerichteten Task Forces für Spezialaufgaben delegiert und dort lösungsorientiert, interdisziplinär umgesetzt. Der CMO steuert als Dirigent das Orchester diverser Task Forces und bündelt die Ergebnisse, die er als Solist in die Vorstandsetage mitnimmt. Durch die smarte Verwertung von Datenströmen wird sich die Messbarkeit einzelner Aktionen und Maßnahmen erhöhen und damit die Schnelligkeit der Anpassungen auf die nächsten Schritte. Erfolgreich wird der sein, der mutig Neues ausprobiert, flexibel auf Kundenwünsche eingeht und just in time neue Ideen und Servicekomponenten liefert. Das muss nicht zwangsläufig der Platzhirsch in einer Kategorie sein, denn das Motto der Zukunft lautet: aus „groß frisst klein“ wird „schnell frisst langsam“! Lufthansa und die Deutsche Bahn reagieren darauf schon mit experimentellen Labs, in denen neue Prozesse, Strukturen und Produkte im „sicheren Feld“ getestet werden. Die große Herausforderung in diesem Szenario wird allerdings die Rückimplementierung der so generierten Impulse in die Unternehmen sein, denn das evoziert für Unternehmen ein Hinterfragen der derzeitigen Unternehmens- und Fehlerkultur.
Daneben wird die Markenstory immer wichtiger als Orientierungshilfe im Dschungel der Multioptionalität und als „Markenklammer“ für die Spezialisten Teams aus IT, Vertrieb und Kommunikation. Der CMO fungiert hier als Verbindungsoffizier sowohl zwischen Basis und Vorstand, als auch zwischen Kunden und Marke und zwischen den einzelnen Disziplinen. Er ist weniger Spezialist als kluger Stratege, braucht seismographische Antennen für gesellschaftliche, technologische und ökologische Veränderungen und ein klares Verständnis des Markenbildes. Als Mittler zwischen den Welten muss er nicht nur ein begnadeter Kommunikator sein, seine Inszenierungskompetenz als Architekt crossmedialer Markenwelten ist ebenso gefordert.
Aus all diesen Veränderungen wird schnell klar, dass sich Rolle und Wichtigkeit von Markenführung und Marketing zukünftig in Unternehmen stark verändern wird und damit Positionsbeschreibungen und Skills neu definiert werden müssen.
Neben der Neuausrichtung der Marketingorganisation in Unternehmen wurde aber auch die Neuerfindung des Einkaufserlebnisses am POS durch stringente Verfolgung der „Customer Journey“ und Verstärkung der „Customer Experience“ auf allen Kanälen, thematisiert.
Re-Invent or die!
Vor diesem Hintergrund zeigte die Case Study der Marke Tchibo eindrucksvoll, welchen Herausforderungen sich der Einzelhandel im digitalen Zeitalter stellen muss.
Neben der Digitalisierung spielt heute vor allem das erstarkte Konsumenten-bewusstsein, das als Treiber von Innovation in Markenführung und Marketing fungiert, eine große Rolle. Dr. Wolfgang Merkle stellte 4 Thesen auf, die für Tchibo zu den Kerndimensionen moderner Markenführung zählen und die Transformation vom „Point of Sale“ zum „Point of Service“ signifikant beeinflussen:
1. Nutzung der digitalen Technologien: „Alles was sich in einem Algorithmus ausdrücken lässt, wird mittelfristig automatisiert“, sagt Peter Wippermann vom Trendbüro und für Tchibo heißt das, der Kunde will es einfach, convenient und aufwandsneutral! Beispiele hierfür sind „same day delivery“ und die Nutzung der digitalen Kette für den Bezahlvorgang an der Kasse nach dem Motto „kill the check-out“.
2. Vernetzung von E-Commerce und stationärem Point of Sale: Cross Channel ist das neue Selbstverständnis des Handels, denn hier müssen Bedarfs-, und Lust-Shopping zusammen fließen! Der Instoreplanner liefert beispielsweise alle wichtigen Details zur Vorbereitung des Einkaufs und Digital Sceens erweitern das Sortiment ohne Lagerbestände. Kunden erhalten so einen Überblick über vorhandene Warenbestände in der Umkleidekabine.
3. Von Point of Sale zum Point of Service: Um den Kunden zu begeistern, müssen seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Nach dem Motto „Tante Emma läßt grüßen“ besinnt man sich wieder auf die persönliche Komponente des Kaufens. Die Zukunft liegt also in der Verknüpfung von Kauf und Empfehlung nach dem Amazon-Prinzip.
4. Lust-Shopping: Make it Fun: Die Neuerfindung des POS liegt im Perspektivwechsel, mehr als Freizeitunternehmen denn als Verkäufer zu agieren. Das Beispiel Abercrombie & Fitch zeigt es eindeutig, Inszenierung von Räumen und Präsentation von Lifestyle schafft Aufmerksamkeit und steigert die Verweildauer am POS.
Es geht also in jedem Fall um die Verbindung von Effizienz (Digitalisierung, Rationalisierung, Convenience) und Exzellenz (Erlebnis, Inszenierung, Personalisierung). Diese Veränderungen zwingen uns dazu, die alte „AIDA-Formel“ auf den Kopf zu stellen und gänzlich neu zu interpretieren. Otto hat seine Hausaufgaben hier gemacht und eine Customertypisierung anhand der „Customer Journey“ bestehend aus 40 Dimensionen entlang des Prozesses entwickelt, um noch näher am Kunden und für den Kunden zu operieren. Die Allianz schafft den Turnaround vom komplexen Finanzdienstleistungsunternehmen zur „Insurance so simple!“, der DFB punktet mit Kundenbindung über Player- Analysen des 12. Manns auf dem Platz anhand der WM 2014. Tina Müller, Chief Marketing Officer der Adam Opel AG zeigt anschaulich, wie man mit mutigen Kommunikations-Strategien selbst eine totgeglaubte Marke wie Opel wieder neu beleben kann. Die Quintessenz der Fallstudien ist eindeutig: Für die komplexen Aufgaben der Zukunft brauchen wir andere Organisationsstrukturen in den Unternehmen und andere Manager.
Nicht nur bei Opel ist also „umparken im Kopf“ angesagt!