Was wir vom Hollywoodfilm für die Populärkultur lernen können (und was nicht)

06.01.2016

Von der Populärkultur zu lernen, heißt von Hollywood zu lernen: Keine Bildproduktion hat die westliche Populärkultur so beeinflusst wie die Hollywoods, wir sind vertraut mit Stars, Genres, Kosmetik, Merchandise und Design; Hollywood ist all gegenwärtig und erfolgreicher denn je. Hollywood beerbt die populäre Unterhaltungskultur und hat Traditionen des Theaters und der Vaudeville-Show, der Fotografie und der Camera Obscura und nicht zuletzt der Literatur mit filmischen Mitteln fortgeschrieben.

 

Im Zentrum steht bis heute das Kriterium der Nachvollziehbarkeit: „Schon sehr früh wurden unterschiedliche Techniken entwickelt, um den Anforderungen an psychologische Eindeutigkeit, glaubwürdige Motivation, moralische Integrität der Hauptcharaktere, räumliche und zeitlich logische Abläufe sowie Konfliktlösung und Zielerreichung zu genügen.“ (Röwekamp 2003, S. 93). Dabei entscheidet das Publikum, welcher neue Star und welche Variation der cineastischen (Genre-)muster zum Kanon gehört. Die Auswahl zum Star ist prekär. Schnell können Stars und mit ihnen Genres zur Konvention erstarren und aus der Mode geraten. Das Erfolgsrezept von Hollywood ist daher das Spiel aus Wiederholung und geringfügiger Neuerung. An dieser Stelle setzt dieser Text an, um gemessen am Gegenstandsbereich methodische Ansatzpunkte zu erörtern, die dem komplexen, selbstevidenten Phänomen des Populären gerecht werden. Schon aus Gründen der Effizienz bemüht sich Hollywood, rechtzeitig die Lebenszeit eines Genres oder Starimages zu verlängern, um seine Popularität möglichst lange aufrecht zu erhalten. Gerade hierbei bieten sich die Variabilität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit vorhandener Narrationsmuster und allseits bekannter Stars an. Das „Same-but-Different“-Prinzip ist eine Strategie der kommerziellen Populärkultur. Im Hollywoodkino aber auch in der Musikindustrie findet dieses Prinzip Anwendung, wenn sich Ermüdungserscheinungen des Publikums gegenüber eines Stars oder Genres einstellen, wie die immer wieder erfolgreiche Wandlungsfähigkeit von Madonna zeigt. Für den Produzenten bleibt jedoch die kommerziell ausgerichtet Film- und Musikindustrie ein zweischneidiges Schwert. Einerseits muss das Bedürfnis des Publikums nach attraktiven und neuwertigen Filmen befriedigt werden, andererseits steigen die Erfolgsaussichten, wenn auf den Zug bewährter Erzählkonventionen aufgesprungen wird: „A successful product is bound up in convention because its success inspires repetition“ (Schatz 1981, S. 5). Dieser auf den ersten Blick relativ stabile Kommunikationsprozess, dessen Diskurs von den Parametern Produktion, Feedback des Publikums und Konventionalisierung bestimmt zu sein scheint, soll in diesem Abschnitt näher beleuchtet werden. Dabei sollen auch die Grenzen der kommunikationstheoretische Operationalisierbarkeit des „Systems“ in den Vordergrund rücken, welche den methodischen Zugriff auf Film und Musik, mit anderen Worten auf das Populäre, erschweren. Die Vielfältigkeit populärer Medien lässt erwarten, dass je nach Perspektive und Medium divergierende methodische Instrumentarien zu Rate gezogen werden müssen; im Folgenden soll insbesondere der Blick auf das Hollywoodkino paradigmatisch aufgegriffen werden, um die methodischen Probleme auszuleuchten.

 

Hans Otto Hügel plädiert angesichts der Heterogenität von populärer Kultur dafür, auf die jeweiligen popkulturellen Gegenstandsbereiche die adäquate Forschungsmethode anzuwenden. ( Vgl. Hügel 2003, S. 8) Kultur als allumfassendes Sammelbecken ist facettenreich und populäre Kultur ein wesentlicher Bestandteil von ihr. Kulturell ausgeprägte Muster werden über Medien vermittelt und verstärkt. Das traditionsreichste Medium für die Gestaltung von Kultur ist Sprache. Die Teilnahme am kulturellen Alltag und nicht zuletzt die Subjektivitätsbildung ist angewiesen auf sprachliche Vermittlung. Die ursprüngliche Funktion von Sprache wird im Zeitalter der Moderne auf Medien übertragen, die interpersonal geprägte Vermittlung von Werten und Normen geschieht durch mediale Vorbilder. Wirklichkeit ist nicht mehr sprachlich, vielmehr – wie wir alle wissen - medial vermittelt. In Gestalt und Ausprägung unterscheiden sich die medialen Angebote stark, abgesehen von ihrer technischen Form sind hier vor allem ästhetische Unterscheidungskriterien relevant; Genres haben sich Zug um Zug herauskristallisiert und ermöglichen dem Rezipienten sich thematisch und ästhetisch nach seinen Vorlieben zu orientieren. Der Zuschauer hat die Auswahl zwischen Western, Krimis, Melodramen usw.. Niemand würde auf die Idee kommen, diese verschiedenen Genres ästhetisch über einen Kamm zu scheren, im Gegenteil. Obwohl jeder kommerzielle Anspruch von „Kunst“, gerade unter dem Primat der Unterhaltung, diese unter den Generalverdacht eines anspruchlosen Massenproduktes stellt. Richard Maltby stellt fest: For the vulgar romantic in us all, Hollywood is not Art because it is commerical“ (Maltby 1995: 29). Das mag den Blick auf das Untersuchungsfeld Hollywood zu verstellen, statt diesen zu schärfen; Unterhaltung scheint sogar das Kriterium zu sein, einen Gegenstandbereich als wissenschaftsunwürdig zu brandmarken. Und das, obwohl gerade die Frage nach der Popularität im Zusammenhang von Unterhaltung gestellt werden muss: Denn bei genauerem Hinsehen wird schnell klar, dass selbst „seichte“ Filme wie die Melodramen von Douglas Sirk oder die Western von John Ford durchaus beides, einen künstlerischen und einen unterhaltenden Anspruch vereinen können. Dabei wird das heilige Gebot der Unterhaltung keineswegs aufs Spiel gesetzt, vielmehr gerät der zitierte Widerspruch zwischen Kommerz – und Kunstkino schon in der Frühphase des Films ins Wanken. Im Kern kristallisiert sich die Frage heraus, was Unterhaltung und Popularität miteinander verbindet, offenbar muss nicht jeder ästhetische Anspruch über Bord geworfen werden. Bezogen auf das Hollywoodkino bleibt jedoch die Frage, wie das Unterhaltende, das seine Popularität begründet, gefasst werden kann?

 

Das Populäre, ein wissenschaftliches Minenfeld?

Allerdings läuft man mit dieser Frage sehr schnell Gefahr, jeder tieferen wissenschaftlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Unterhaltung ist nach allgemeiner Auffassung selbstevident und bedarf daher keiner weiteren Erklärung. Hinzu kommt, dass in wissenschaftlichen Kreisen immer noch der Begriff Unterhaltung kategorisch vom Begriff Kultur getrennt wird: „Entertainment exists in a sperate, self–contained, social space, where the fact that we consider it unimportant protects it from scrutiny“ (Maltby 1995: 20). Es ist eben gar nicht so einfach, die Frage nach der Unterhaltung ernst zu nehmen. Vor allem, wenn neben der Unterhaltung noch ein weiterer Aspekt in den Vordergrund tritt, der einer vorbehaltslosen Erforschung des Populären erschwert: das Verdikt, dass der Eskapismus des Publikums die zentrale Kategorie für das Hollywoodkino darstelle, und für zahlreiche andere populäre Bereiche in Anschlag zu bringen sei. (Maltby 1995: 21). Nach kapitalistischen Maßstäben kauft man Zeit, wenn man ins Kino geht: Die graue Alltagszeit wird gegen die Verheißungen des Films für einen Moment eingetauscht. Dass Film dabei nur eine Utopie der Gefühle liefert, sollte näher beleuchtet, statt vorschnell abgewiesen zu werden. Dass utopische Angebote für alltägliches Probleme und Verlangen von populären Medien offeriert werden, spiegelt ein Bedürfnis des Publikums wieder. Es wirft ein Licht auf Probleme und Bedürfnislagen. Dennoch sollte ein sozialwissenschaftlicher Ansatzpunkt auf die Komplexität des Films nur ein Anfang sein, und sich der Vielschichtigkeit der Perspektiven und Methoden bewusst sein. Hollywoodkino ist das Regime regulierter Differenz: Genrefilme bestechen durch ihre Vertrautheit und angenommen prosozialen Funktion, sie sind daher vorzüglich dazu geeignet prekäre soziale Probleme zu thematisieren (Vgl. Schatz 1981: 225). Kein anderes Genre als das Melodrama thematisiert und unterläuft romantische Klischees; kein anderes Genre erlaubt einen so komplexen und paradoxen Blick auf die amerikanische Gesellschaft. Und kein anderes Genre symbolisiert derart die Vorstellung von seichter Unterhaltung. Dargestellt wird nicht selten ein repressives Kleinstadtmilieu. Die gesellschaftlich zugewiesene Abneigungen gegen den vermeintlich oberflächlichen Blick des Melodrams auf die Gesellschaft, verhindern eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Genre, wie Schatz feststellt: „The widespread popularity and the surface-level naiveté of the melodrama usually discourage both viewer and critic from looking beyond ist facade, its familiar technicolor community and predictable „happy ending“ (Schatz 1981: 225). Selbst das hinsichtlich Experimenten wenig zugängliche Genre des Melodrams wird bei Douglas Sirk zu einem Verhandlungsort von Werten und Attributen des amerikanischen Mythos. Das Genre bedeutet hier Ausdruck eines sozialen Rituals (Vgl. Schatz 1981: 261). Diesem Ritual gilt es – wie in allen populären Produkten – nachzuspüren; was im Film als zeitgenössische amerikanische Mythologie verhandelt wird, ist nichts anderes als ein idealisiertes Bild der Kultur selbst. Die zeitgenössische Mythenbildung geschieht durch das Mainstreamkino, das ohne eine narrative Struktur (und im Zeitalter des Blockbusterkinos insbesondere ohne Spektakel) nicht zu denken ist. Kulturelle Konstanten sind Bestandteil des mythischen Denkens: Verhandelt werden Leben/Tod; Das Böse/das Gute; Das Individuelle/die Gemeinschaft; das Schöne/das Hässliche. (Vgl. Schatz 1981: 262) In kulturellen Mythologien und Bildern spricht die Gesellschaft zu sich selbst, die darin entwickelten Geschichten sind dazu bestimmt, die Probleme des alltäglichen Lebens zu lösen. Nicht ein einzelnes, isoliertes Element evoziert jedoch den Mythos, vielmehr das Zusammenspiel der divergierenden Mitteilungsebenen des Films. Die Gesellschaft antizipiert an der Wiederholung von Geschichten und Stars, die für sie eine Bedeutung haben. Diffuse Ängste werden aufgegriffen, hypostasiert und über eine mehr oder weniger durchschaubare Narration kontrollierbar gemacht. Der Star und mit ihm insbesondere der Close-up seines Gesichts setzt sich mit seiner unbestreitbaren, mithin unangreifbaren Evidenz emotional an die Stelle von komplexen und oftmals unzugänglichen, rationalen Zusammenhängen. Gleichzeitig werden dieser einer kritischen Analyse und Hinterfragung entzogen. Das Happy End lässt sich schlecht mit jeglicher Selbstreflexion vermählen. Schließlich ist es der Anspruch der Zuschauer nach Unterhaltung, der eine erfolgreiche und dauerhafte – wenn auch variantenreiche – Wiederholung eines Narratives und darin eingeschlossen, die Performanz eines Stars verspricht. Anders ausgedrückt: Filme werden durch die Filmemacher gemacht, wohingegen Genres durch den kollektiven Zuspruch des Massenpublikums entstehen. Das Genre beinhaltet „a form of collective cultural expression“(Schatz 1981: 266). Zwar haben sich Genres neu ausgebildet und viele überlebt (wie beispielsweise das Film Noir), doch bleiben trotz aller Krisen, Trends und Konjunkturen die wesentlichen Elemente des Hollywoodkinos resistent gegenüber Krisen und Veränderungen. Hollywood ist ohne zweifel in seiner Geschichte ständigen Umwälzungen ausgeliefert: „But as well as changing, Hollywood has also remained the same, at least in the sense of remaining in the same business of entertaining ist audience, of producing the maximum pleasure for the maximum number fort he maximum profit“ (Maltby 1995: 6). Wenn David Bordwell, Janet Staiger und Kristin Thompson in ihrem wegweisenden Buch The Classical Hollywood Cinema argumentieren, dass die zentralen Elemente des klassischen Hollywoodkinos (die Art und Weise wie ein Film Raum und Zeit organisiert, die Konformität des Skripts, die Managementstrukturen, und die Arbeitsteilung in der Produktion) seit 1917 weitgehend unverändert geblieben sind, so lässt sich diese Feststellung keineswegs auf die Ästhetik Hollywoods übertragen, die unter divergierenden historischen Konstellationen, von Film zu Film der Anpassung an veränderte ästhetische Bedürfnislagen bedurfte, um das Publikum bei der Stange zu halten.

 

Um diesen Veränderungen methodisch gerecht zu werden, ist der Ansatz, der hier vorgeschlagen wird, methodisch aufwendig: Nicht nur jedes Genre, sondern jedes paradigmatisch ausgewählte filmische Werk innerhalb eines Genres bedarf der genauen individuellen Analyse; besonders dann, wenn der Kontext des jeweiligen Werkes auch aus Sicht einer popkulturellen Perspektive ernst genommen werden soll. So muss der Fokus das Vorhandensein bestimmter Konventionen und Regeln berücksichtigen, die immer wieder erfolgreich erprobt werden, aber auch die besondere Balance zwischen künstlerischem Anspruch und kommerzieller Unterhaltung. An zweiter Stelle sollte dann die Varianz, die den steten Wandel und die Weiterentwicklung eines Genres garantiert, untersucht werden. Phasenweise sehr erfolgreiche Genres wie dem Hollywoodwestern gelingt es über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl von Zuschauer anzusprechen. Otto Hügel nennt dies Teilhabe (Vgl. Hügel 2003: 16). Man könnte es auch affektive Adressierung nennen. Teilhabe oder selbst Unterhaltung (alles andere wäre langweilig) gelingt über die Schaffung von Aufmerksamkeit – der Leitwährung populärer Medieninhalte. Aufmerksamkeit schaffen allerdings auch die Produkte der Hochkultur. Auch wenn die Rede von der Hochkultur aus der Mode gekommen ist, so kann man sie in kulturellen Nischen nach wie vor beobachten. Als theoretisches Unterscheidungskriterium für das omnipräsente Populäre sollte man den Begriff nicht ad acta legen. Experimentalfilm oder experimentelle Musik sind sperrige Formen, die sich dem Primat der künstlerischen Reflexion unterordnen, und die man keineswegs als populär bezeichnen kann. Die produktionsästhetische Konzeption zielt nicht auf den Unterhaltungsanspruch des Publikums. Und das ist auch gut so. Filme, bei denen geradezu die Herausforderung der Hör- und Sehgewohnheiten zur Priorität gehört und die mehr oder weniger nur auf Filmfestivals zu sehen sind, kann man ohne weiteres nicht auf eine Stufe mit Hollywoodproduktionen stellen. Ohne dies werten zu wollen: ein sehr kleiner, elaborierter Publikumszuspruch ist nicht mit dem Publikum eines Kassenschlagers zu vergleichen. Neben experimentellen Ansätzen sind für den Film auch Werke zu nennen, die lediglich als Kunstfilme und nicht als Unterhaltungsfilm funktionieren. Unter den zahlreichen Beispielen, die an dieser Stelle angeführt werden könnten, soll Heaven’s Gate (Michael Cimino, 1980) genannt werde, der als anspruchsvoller Film aber kommerzieller Flop reüssierte. Ohnehin gilt die Regel: Um einen ästhetisch Anspruchsvollen Film zu drehen, müssen erst 5-6 minderwertige produziert werden. (Vgl. Maltby 1995: S. 36).

 

Dass eine radikale Ästhetik auch zu radikalen gesellschaftlichen Veränderungen führt, stellt John Fiske in Frage. Er stellt die These auf, dass progressive Verwendungsweisen von Populärkultur wirkungsvoller sind, als radikale Strategien. Gemeint sind ästhetische Verschiebungen, die in der zeitlichen Betrachtung von einem Film zum Nächsten in einem für den Laien auf den ersten Blick scheinbar vor Konventionen starren Genre entstehen. Diese oftmals unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegenden subtilen Modifikationen sind - besonders in Anbetracht der großen Masse an Rezipienten und Fans in ihren Auswirkungen durchaus bedeutsam. Die historische Genealogie eines Genres wird durch dessen stete ästhetische Erneuerung fortgeschrieben. Ob allerdings die von Fiske ins Feld geführten Verschiebungen tatsächlich dazu führen, dass die Ecken und Kanten der Macht aufgeweicht werden (Vgl. Fiske 1999: 271) muss offen bleiben. Wichtig bleibt festzuhalten, dass populäre Medien wie der Hollywoodfilm prinzipiell das Potential zugeschrieben wird, Emanzipationsprozesse beim Rezipienten in Gang zu setzen. Statt einer Radikalität populärer Medien das Wort zu Reden oder gar diese einzufordern, erscheint es sinnvoll die Progressivität - trotz oder gerade wegen ihres Unterhaltungspostulates - populärer Medien anzuerkennen. Das traditionelle Hollywoodkino ist eine Ausprägung populärer Kultur par excellance, es muss sich nicht zwischen Kunst und Kommerz entscheiden; es bereitet Vergnügen. Im Populären vermischen sich unterschiedliche Bedeutungen und politische Werte, die dominant, subordiniert oder oppositionell sein können. In dieser Hinsicht bildet Hollywood eine kulturelle Diversität aus. In seiner technischen und ästhetischen Ausrichtung ist es dabei auf einen zentralen Aspekt ausgerichtet: der Schaffung von Unterhaltung. Gerade die Wahl des Beispiels Hollywood, macht Otto Hügels Subordination des Populären unter den Begriff der Unterhaltung nachvollziehbar: „Unterhaltung […] ist eine von anderen sozialen und kulturellen Zwecken (etwa Belehrung und Information) geschiedene, selbständige Institution und Funktion und verleiht als Zentralbegriff der Populären Kultur auch dieser selbst institutionelle Selbständigkeit. (Hügel 2003: 17)“ Für Hügel schließt sich daran eine entscheidende Frage, nämlich: „Was geschieht im Unterhaltungsprozeß ?“ (Hügel 2003: 18).

Kommerzielle Ästhetik

Maltby spricht von einer kommerziellen Ästhetik als Leitbegriff für das Hollywoodkino, gleiches möchte ich für die Populärkultur im Allgemeinen behaupten. Der ästhetische Effekt beinhaltet dabei vor allem affektive Qualitäten. „Hollywood relies for much of its aesthetic effect on its affective qualities, on the emotional engagement of its audience with the text – on the tears, laughter, fear, and erotic arousal it provokes in its viewers“ (Maltby 1995: 35). Die bekannten Stimuli der Populärkultur reichen von Weinen, Lachen, Erschaudern bis hin zum Augenschließen, kurz: Ein großer Teil der Auseinandersetzungen in der Populärkultur dreht sich um die Fähigkeit diese Wirkungen beim Zuschauer in Gang zu setzen. Die genannten Reaktionen machen deutlich, dass Populärkultur an der Schnittstelle von Körper und Gefühl anzusetzen ist. Mit dem Auftreten eines Stars wird eine spezifische Erwartungshaltung beim Zuschauer aufgerufen, ein oftmals spezifisches affektives Potential, das eben nur dieser Star auszulösen im Stande ist. Die Semiotik macht an dieser Stelle den Fehler (und darin ist Gernot Böhme zuzustimmen), was jenseits ihrer Reichweite liegt, etwa durch hybride Begriffsbildung einzuholen, etwa durch den Begriff des ikonischen Zeichens, durch den Bilder als Zeichentypen subsumiert werden sollen. (Vgl. Böhme 2001: 147) Entscheidend ist die Schwelle zu bestimmen, an der ein Umschlagen der Wahrnehmungsweisen, „nämlich von einem Spüren der Atmosphären zum Lesen von Zeichen“ eintritt. Der Hollywoodfilm, Mainstreammusik und jede andere konventionelle Ausdrucksform wird allzu schnell ausschließlich als Zeichen gelesen. So wird etwa der Star – stellvertretend für andere popkulturellen Ausdrucksformen - zu einer Selbstverständlichkeit und zum Bezugspunkt der affektiven Besetzungen des Publikums. Die Qualität des Affektiven ist durch das Maß der Betroffenheit (Interesse, Leidenschaft) und die Art und Weise bestimmbar, die einem Star, (äquivalent zu einem Musikstück oder Ereignis) Bedeutung verliehen wird. Die Ausstrahlungskraft und die Inszenierung eines Popstars hängt besonders vom Maß der Teilhabe ab, die ein Star oder ein Musikstück beim Publikum auslöst. Der Affekt ist eng mit dem verknüpft, was wir als „Lebensgefühl“ bezeichnen. Das Affektive ist es, was dem Leben „Farbe“, „Klang“ oder „Textur“ verleiht. Es ist das Salz in der Suppe. Eine Steigerung oder Verringerung der Handlungsfähigkeit ist wohl eine der offensichtlichsten und markantesten Konsequenzen, die von der Affizierung von populärer Kultur ausgehen. (Vgl. Grossberg 1999: 228 ff.), insofern ist ein Star nicht nur ein Zeichen. Kritiker ignorieren die Unmittelbarkeit der Populärkultur, ihre Körperlichkeit und ihren Unterhaltungswert. Spaß wird von Lawrence Grossberg als zentrale Kategorie angesehen, womit ihr ideologischer Charakter in den Hintergrund rückt, wie er betont: „Populärkultur ist niemals bloß ideologisch. Sie stellt Orte der Entspannung, der Privatheit und des Vergnügens zur Verfügung und bietet Genuß, Wohlbefinden, Spaß, Leidenschaft und Gefühl." (Grossberg 1999: S. 226-227). Von einer derartigen Präsenzerfahrung geht auch Gernot Böhme aus, wenn er die Wirkungsästhetik von Kunstwerken untersucht. Er rückt die emotionale Beteiligung am ästhetischen Gegenstand in den Mittelpunkt. Wahrnehmung bedeutet affektiv betroffen zu sein. Das klingt einfach: Der Unterschied zwischen einem professionellen Schauspieler und einem Star wird nicht an seinen Fähigkeiten bemessen, sondern am Massengeschmack, den er bedient. Das Unterhaltungsbedürfnis des Massengeschmacks zu befriedigen – bedeutet über etwas zu verfügen, was sich jeglicher Erlernbarkeit und Rationalität zu entziehen scheint. Schafft es ein Film eine unnachahmliche Atmosphäre (Mystery) zu stimulieren, und gilt für einen Schauspieler, eine Aura herzustellen, so ist der Rahmen des rational Bestimmbaren überschritten. Womit wir an die (vorläufigen) Grenzen wissenschaftlicher Erklärbarkeit kommen: Wenn die genannten Aspekte nicht zeichenhaft, bzw. nicht rational nachvollziehbar sind, dann bewegen wir uns jenseits wissenschaftlicher Erklärungsmuster und damit jenseits diskursiver Macht. „Sie können nicht alles erklären, sie wissen nicht alles, sie wollen das unterdrücken, was sie nicht erklären können, weil das, was sie nicht erklären können, sich ihrer Macht entzieht“, lautet das Fazit von John Fiske (Fiske 1999: S. 264). Das wäre dann das Vergnügen in der Verweigerung offizieller Wahrheiten. Auch wenn es populär ist: damit erweist man den Phänomenen aus wissenschaftlicher Sicht keinen guten Dienst. Mit der Gleichsetzung des Populären als das Unwissenschaftliche sind wir wieder am Anfang einer zurückliegenden Diskussion. Schon Ende der 60er Jahre, als an amerikanischen Instituten erste filmwissenschaftliche Departments gegründet wurden, gab es Stimmen wie Pauline Kael, die eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit populären Formen skeptisch betrachteten (Vgl. Kael 1970: 93). Statt sich an der Frage des Unergründbaren festzuklammern, oder damit gleich das Verdikt einer generellen Unwissenschaftlichkeit des Populären zu fällen, sind doch eben die beobachtbaren Verschiebungen interessant, die Phänomene, denen man mit wissenschaftlichen Methoden möglicherweise nachspüren kann. Es gilt auf der Basis des Bekannten, die Konventionen herauszuarbeiten und in kenntnisreichen Reflektion zu neuen Ufern aufbrechen. Wie ist beispielsweise ein bisher unbekanntes Gesicht wie das des Schurken eingeführt und plötzlich gesellschaftsfähig gemacht worden? Wandelt man methodisch auf dieser Spur, kann man auch wieder die Diskursanalyse mit ins Boot nehmen. Was ist im populären Sinne innovativ? Innovation, so wäre eine Antwort, entsteht durch die Integration eines neuen Elements oder seiner Variation in einen etablierten Diskurs. Durch ständige Wiederholung wird dieses Element (oder die Variation davon) schließlich zum Bestandteil des kollektiven Diskurses und zwangsläufig zur Konvention.

 

Der Sprachforscher Karl Bühler hat diesen Zusammenhang für das dynamische Archiv der Sprache bereits in den 1930er Jahren erforscht. „Der Wortschatz einer Sprache ist ein offenes System, es können stets Neulinge erscheinen und aufgenommen werden“ (Bühler 1934: 290). Auch Bühler kam schon auf die Idee, dass der Ton die Musik macht – und eben nicht seine lexikalische Bestandsaufnahme. Die Innovationsbereitschaft populärer Medien geschieht oft unterhalb leise und subtil. Trotz aller Schnelllebigkeit, die den Medien und ihren Inhalten nachgesagt wird, im Rahmen von populärer Kultur muss der Fokus auf das konservative Veränderungspotential gerichtet werden.

Literaturverweise:

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