MORE than DESIGN!

12.04.2012

Im Februar diesen Jahres bekam ich von der Design Biennale Istanbul die Einladung, einen Design-Workshop zum Thema „MORE than DESIGN!“ zu leiten.


Design Workshop.

Ziel des Projektes war, Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile aufzuzeigen, die die Zusammenarbeit zwischen Designern und Kleinhandwerksbetrieben (Small Scale Industry) hervorbringt. Dafür wurden mehrere konkrete Projektaufträge ausgeschrieben. Einige Titel möchte ich an dieser Stelle kurz aufzählen, um eine bessere Vorstellung von den Projekten zu gewährleisten: Entwicklung eines Lichtkonzeptes für ein Kaffeehaus, Gestaltung einer Schulkantine, Umgestaltung einer Bank, Entwurf eines Blumentisches für eine Hotelrezeption, etc.

Wir waren 6 Designer aus Deutschland, die sich jeweils ein Projekt wählten und dies gemeinsam mit Studierenden entwickelten. Es waren insgesamt 30 Studentinnen und Studenten die am Workshop mitwirkten, ein großer Teil kam von verschiedenen Universitäten aus Istanbul, der kleinere Teil von der Universität Siegen, der Ecosign Köln und der Mediadesign Hochschule Düsseldorf. Spannend war der interdisziplinäre Ansatz des Projektes. Es trafen Gestalter aus den Fachbereichen Architektur, Produktdesign, Innenarchitektur, Industriedesign, Mediadesign und Modedesign aufeinander, die Ideen diskutierten, entwickelten und an der Umsetzung feilten.


Projektskizzen für „MORE than DESIGN!“

Die Bedingungen für „MORE than DESIGN!“ waren sehr ambitioniert. Wir hatten fünf Tage Zeit für Brainstorming, Entwurf, Suche nach den richtigen Materialien und Handwerkern, Umsetzung mit dem Handwerker und Präsentation. Das fertige Produkt sollte danach an seinem neuen Platz stehen. 
Die Kooperation mit den Kleinhandwerksbetrieben war in der Tat sehr spannend, es funktionierte bei allen Gruppen, aber jeder hatte andere Herangehensweisen und Lösungen gefunden, um eine schnelle Produktion zu ermöglichen. Das dichte Netzwerk an Handwerkern, die alle Spezialisten auf einem sehr eng gefassten Gebiet sind, hat die Arbeit wesentlich erleichtert und vorangetrieben. Es sind spannende Ideen und Produkte entstanden, die ab Mitte Oktober auf der Biennale in Istanbul zu sehen sind. Der Design- und Produktionsprozess wurde sehr ausführlich dokumentiert, da dieser für uns vorrangig war und einen großen Teil der Arbeit ausmachte.

Prof. Nicole Süß

Die 3 Studentinnen von der MD.H Düsseldorf (FB Modedesign) haben ihre Projekte kurz beschrieben und ihre Eindrücke geschildert.

Gündogdu Coffee-Tea House, Tina Schweizer


Das Teehaus Gündogdu befindet sich direkt neben dem Galataturm in Istanbul

Das Teehaus Gündogdu befindet sich direkt neben dem Galataturm in Istanbul – viele Einheimische, Handwerker, Künstler aber auch Studenten und Touristen gehen hier täglich ein und aus. Das Gebäude ist beinahe 100 Jahre alt und man findet hier viele klassische türkische Merkmale wie Messing, Kupfer und Holz. Die Aufgabe unseres Workshops war es ein neues Lichtkonzept zu entwickeln, welches individuell und zeitlos ist, jedoch nicht den Charakter des Teehauses zerstört.


Lampendesign für das Teehaus Gündogdu.

Innerhalb eines halben Tages war in der Gruppe ein Design für eine Lampe erstellt worden. Das gesamte Lichtkonzept besteht aus einer Hauptlampe und vier kleineren Replikationen. Nachdem der Teehausbesitzer den Entwurf abgesegnet hatte, konnte sofort mit der Produktion begonnen werden, schließlich verblieben nur noch weniger als 3 Tage zur Umsetzung.


Das Teehaus Gündogdu.

Die Hauptlampe ist nun fertig gestellt und hat bereits ihren Platz im Café Gündogdu eingenommen. Die vier kleineren Replikationen werden in den kommenden vier Wochen fertiggestellt und die Hauptlampe ergänzen.


Produktion der Lampen.

Einfach unglaublich was in so kurzer Zeit von den Handwerkern vor Ort geleistet wird: Schnell das passende Material beim Nachbarn besorgt, flink zum Lasering-Fachmann des Vertrauens gefahren und einige Schweißnähte später ist die Lampe schon so gut wie fertig. Natürlich darf nicht vergessen werden, immer wieder einen leckeren Tee oder Mokka zu trinken.

Doğan Apartment, Sarah Heinrich

Unser Projekt war das Doğan Apartment, ein Wohnblock, in dem viele Künstler und Designer wohnen. Durch diese Voraussetzung standen wir unter ständiger Beobachtung der Bewohner und hatten mit viel Kritik zu rechnen. Nach einigen Gesprächen mit Bewohnern des Doğan Apartments haben wir unsere "Baustelle" recht schnell gefunden.

Da der ganze Gebäudekomplex erst 2006 renoviert wurde, haben wir uns entschieden eine alte Bank im Garten des Wohnblocks neu zu gestalten. Dazu haben wir die alten Metallgestelle neu aufbereitet, um sie als Grundlage für unsere "neue" Bank zu verwenden. Auf das Metallgestell haben wir zwei Holzplatten befestigt, die wir extra bei einem Schreiner in der Stadt anfertigen und mit einem Laser gravieren lassen haben.

Auf die Holzplatten haben wir eine Straßenkarte von Şişhane, dem Ort in dem das Doğan Apartment zu finden ist, eingravieren lassen. Die Grundrisse der Straßen wurden dabei tiefer eingraviert, als die Grundrisse der Häuser. Durch den Gebrauch der Bank und die damit verbundene Abnutzung der Holzoberfläche verschwinden nach und nach die Grundrisse der Häuser und die Straßen bleiben übrig.

Dies soll die Veränderung des Straßenbildes in Şişhane verdeutlichen. Es soll darauf aufmerksam machen, dass das alte Straßenbild mit den Jahren verschwindet und durch den Menschen neu gestaltet wird. Außerdem soll unser Objekt Kritik üben, da die alt eingesessenen Handwerker der Stadt in die Industriegebiete Istanbuls umgesiedelt werden sollen, jedoch so die vorhandenen Strukturen zerstört werden und das Gesamtbild Şişhanes verändert wird.


Bank.

Arbeiten in der Werkstatt.

Design Bank.

Dream Canteen – Okcumusa Primary School, Katharina Gautsch

Unsere Gruppe hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Schulkantine der Okcumusa Primary School freundlicher und farbfroher zu gestalten, vor allem aber neuere Sitzmöglichkeiten zu kreieren. Als Inspiration ließen wir die Kinder ihre Traum-Kantine malen.

Nachdem wir unsere ersten Eindrücke gesammelt hatten und uns inspirieren ließen, ging alles ganz schnell. Gemeinsam entwickelten wir ein neues Konzept für die Schulkantine. Noch nie zuvor habe ich ein Projekt vom Entwurf bis zur Fertigung begleitet. Besonders beeindruckt haben mich dabei die kleinen Workshops, mit denen wir zusammen gearbeitet haben. Solch ein Netz und die vorhandenen Beziehungen zwischen den einzelnen Handwerkern findet man wohl nur in Istanbul.

Auch die Bereitschaft und die Arbeitsmoral der Workshops haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Produkt zu Fertigen und das auch noch in einem fremden Land, bringt so manche Probleme und Kompromisse mit sich. Genau dies machte die Arbeit so spannend, direkt vor Ort entscheiden zu müssen - schwarz oder weiß. Dieses Kontrastprogramm zu unserem Studium war auf jeden Fall eine Erfahrung wert.


Kantine.

Entwürfe der Kinder.

Design Workshop.