Wie startet man in der „Modemetropole“ Berlin sein eigenes Label?

20.11.2012

Von Anfang an: Wie ein Label entsteht. Unter diesem Arbeitstitel hat sich eine Gruppe von Modedesign Studenten der MD.H zusammen getan und ein Label gegründet. Sie hatten dafür 3 Monate Zeit und die Kollektion „athletic chic“ wurde am Ende des Projektes für eine Woche zur Fashionweek 2012 in einem Pop-up Shop im „Wespennest“ der deutschen Mode, in Berlin-Mitte, präsentiert. An dieser Stelle soll reflektiert werden, was es konkret bedeutet, sich in Berlin als Modedesigner oder als Designer-Kollektiv selbstständig zu machen und wie die Chancen stehen in der Modemetropole Berlin als Kreativwirtschafter zu überleben.

Modemetropole Berlin

Dieser Titel wirkt auch nach neun Jahren bread & butter Berlin (mit Unterbrechung) und fünf Jahren Berlin Fashion Week noch immer etwas hoch gegriffen. Berlin ist zwar als Modemagnet gewachsen, zur diesjährigen Fashionweek kamen geschätzte 250 000 Besucher aus aller Welt, - Einkäufer, Journalisten, Aussteller, doch ist die Stadt wirklich eine Modemetropole?

Die Berliner Mode war sozusagen immer auf Anfang. Im 19. Jahrhundert wuchs die Berliner Konfektion parallel zu den Mode-Hochburgen in Frankreich, Italien und in Grossbritannien, ohne jedoch eine eigene Handschrift zu entwickeln. Es wurde, allerdings sehr erfolgreich, übersetzt, was die Pariser Haute Couture vorgab. Mit der Forderung nach einer gesunden Mode, die den weiblichen Körper nicht verformt, wurde Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zwar nicht zum Zentrum der Mode, aber der Reformkleidbewegung. Diese feierte mit der Ausstellung der „Neuen Frauentracht“ und mit dem Reformkleiderfest, bei dem zum ersten Mal Kleidung in Form einer Modenschau präsentiert wurde, einen Höhepunkt. Die künstlerisch gestalteten Kleider der Reform-Tracht konnten sich jedoch nicht gegen den Pariser Chic durchsetzen und wurden von den innovativen und trotzdem eleganten Modevisionen einer Mademoiselle Chanel bald übertrumpft.

Mit der Berliner Durchreise und der darauf folgenden „Modewoche“ machte sich Berlin in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts erneut einen Namen. Die Intentionen waren, auch wenn es damals stark nationalistisch formuliert wurde, mit jenen der heutigen Berliner Fashionweek durchaus vergleichbar. Es ging darum, die Kompetenz der deutschen Modeakteure gebündelt nach Aussen zu tragen und möglichst viele internationale Einkäufer in die Stadt zu locken.

Diese Aktivitäten fanden durch die Weltwirtschaftskrise 1929, die Arisierung und den Zweiten Weltkrieg ein aprubtes Ende. Das Herz der Berliner Mode rund um den Hausvogteiplatz wurde durch die politisch erzwungenen Geschäftsaufgaben der wichtigsten Modehäuser und Handwerksbetriebe komplett zerstört.

Auch nach dem Krieg blieb es, bedingt durch die Teilung der Stadt, sehr lange ruhig um die Berliner Mode.

Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre entwickelte sich die Modemesse AVE, eine wilde Mischung aus Techno, Fashion und Selbstgenähtem, die es jedoch nicht vom Underground an die Oberfläche des modischen Bewusstseins schaffte oder schaffen wollte. Überhaupt war die Berliner Mode zu jener Zeit stark durch die Clubkultur geprägt und auf eine etwas laienhafte Art frei von wirtschaftlichen Zwängen.

Mit dem Umzug der bread & butter 2003 von Köln nach Berlin begann das, was man die Berliner Mode-Renaissance nennen könnte. Das Echo auf die Messe war gross, Berlin schien plötzlich „the place to be“ für viele modebegeisterte Menschen zu sein und neben den grossen Marken, die in Berlin Einzug hielten, wurde mit der „Off-Show“ im Staatsratsgebäude in Berlin-Mitte auch vielen jungen Designern die Chance geboten, sich dem Modepublikum zu präsentieren. Gleichzeitig startete die PREMIUM, und auch diese Modemesse bot, neben einigen grossen Marken, den Newcomern Standflächen zu relativ moderaten Konditionen.

Kreativwirtschaft Mode

Viele der Label, die damals ihre ersten Schritte gewagt haben, zählen nun zum festen Bestandteil der „Berliner Kreativwirtschaft“. Auch das ein Begriff, der nicht ganz frei einer gewissen Ironie ist. Denn Berlin hat in den letzten Jahren kräftig mit dem Bild der jungen Kreativen, der Clubkultur, der Freiräume und tollen Lebensbedingungen nach Aussen geworben und diese genau damit teilweise zerstört. Die Mieten wurden immer teurer, Handwerksbetriebe, Initiativen und Netzwerke, die subventioniert wurden, wurde die Förderung nach und nach gestrichen und die Modemessen sind zwar professioneller und internationaler geworden, bieten jedoch Newcomern und eigenständigen kleineren Marken kaum noch Spielraum. Aus diesem Grund finden junge Leute, die den Start in die Selbstständigkeit wagen, zwar ein professionelleres Umfeld vor, müssen dieses aber auch teuer bezahlen und werden meist erst nach ein paar Saisons dafür belohnt. Denn äusserst selten wird gleich beim ersten Messeauftritt eines neuen Labels geordert. Die Einkäufer möchten beobachten, wie sich die Marke entwickelt, ob man auch in der nächsten Saison mit frischen Looks und guter Qualität überzeugt. Das kann für ein unabhängiges Label bedeuten, bis zu 3 Saisons vorzufinanzieren, - Stoffe, Produktion, Werbung und Messeauftritte.

Eine Chance und eine Starthilfe in die Selbstständigkeit kann die Beteiligung an einem Wettbewerb sein, vor allem natürlich, wenn man es bis in die vorderen Ränge schafft. Der von Peek & Cloppenburg ausgeschriebene Nachwuchsaward „designer for tomorrow“ ist mit einem Preisgeld von 25 000 Euro dotiert. Die Gewinner haben die Chance ihre Kollektion zur Mercedes Benz Fashionweek auf dem Laufsteg zu präsentieren und erhalten zudem ein individuelles Förderprogramm. Weitere wichtige Preise sind der „Fash“, der European Fashion Award, der von der Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie verliehen wird und der „Humanity in Fashion Award“ des Deutschen Modeunternehmens hessnatur, der seit 2011 für ökologisch und fair produzierte Mode steht. Ebenfalls noch relativ neu ist der, von der Berliner Landesinitiative Projekt Zukunft, gestartete Preis „Create your own Fashionbusiness“, der mit einer Gesamthöhe von 100 000 Euro für drei in Berlin ansässige Designer oder Desigerkollektive ausgeschrieben wird. Dieser Preis fördert ganz gezielt den Standort Berlin und sein Potenzial an jungen Designern und bietet neben dem Sartkapital zur Gründung oder Weiterentwicklung des eigenen Labels auch betriebswirtschaftliches Know-how zur Unternehmensführung.

Für alle machbar und auf lange Sicht oft nachhaltiger als eine Förderung von Aussen, sind selbst auf die Beine gestellte Netzwerke und Kooperationen, die in Berlin aus Mangel an wirtschaftlich geförderten Institutionen wie zum Beispiel dem Pariser „Syndicat de la Mode“ und wirklich lukrativen Geldgebern, einen guten Grund haben. Auch wenn der Markt mit geschätzten 600 unabhängigen Modelabel in Berlin eng ist, herrscht trotzdem die Bereitschaft sich gegenseitig zu unterstützen. Aus solchen Initiativen sind zum Beispiel Plattformen wie Wedding Dress, Berlinomat und der DMY entstanden.

Showroom Days

Eine solche Plattform und eine wunderbare Alternative zu den grossen Messen bieten zum Beispiel auch die Showroom Days. Die Showroom Days entstanden aus der „Showroom-Meile unter den Linden“, einer Initiative der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen in Kooperation mit Berliner Unternehmen und Institutionen und wird veranstaltet von der Gruppo del Café Palermo.

Zur diesjährigen Fashionweek im Sommer 2012 präsentierten über 150 junge und etablierte, nationale und internationale Designer und Künstler an rund 50 Orten ihre Modekollektionen, Retrospektiven, Fotoausstellungen oder präsentierten Projekte, die Mode, Kunst und Design genreübergreifend verbinden. Auch fand zum ersten Mal das “Berlin Fashion Film Festival” statt, das sich dem Trend des Modefilms öffnet.

Die Showroom Days bieten die Möglichkeit klassischer Modepräsentation in Form von Showrooms, wie sie auch in Paris rund um das Viertel des Marais zur Fashionweek stattfinden, aber auch alternative Präsentationsformen wie Ausstellungen, Kooperationen zwischen Modeakteuren und anderen Gewerken, “Shoppartnerschaften” etc. In diesem Sinne ist an der Stelle noch sehr viel möglich und das Format ist noch lange nicht ausgereizt. Ganz bestimmt werden sich die Showroom Days weiter etablieren und sichtbar machen, was in Berlin an jungem Potenzial vorhanden ist.


Showroom in Berlin (Foto: Prof. Claudine Brignot)

Verkaufsstücke (Foto: Prof. Claudine Brignot)

(Foto: Prof. Claudine Brignot)

Fotos der Eröffnung des Pop-Up-Shops zur Fashionweek im Juli 2012

Moodfilm des Labels MOD Berlin