Schnitzeljagd für ein fashy Gefühl
16.04.2014
Fashion Week in Paris steht vor der Tür und die Augen der Modeinteressierten fangen an zu leuchten. Neue Saison, neues Glück – das ist was man sich verspricht, wenn sich die Modewelt auf ein stell-dich-ein in der Modemetropole trifft.
Diese Saison ist die MD.H auch mit dabei und die Teilnehmer der Exkursion haben sich gut vorbereitet. Das Appartement ist gemietet, die Flugtickets gebucht und in der Hand der Fahrplan für die Modeschnitzeljagd. Es gibt einige Aufgaben zu erledigen und diese sind so gestaltet, dass die Teilnehmer miterleben können, wie die Akteure der Modeindustrie tatsächlich Mode leben.
Auch wenn der erste Eindruck täuscht und man vor allem Glitzer, Glamour und schöne Menschen sieht, geht es der Fashion Week zunächst einmal um das Geschäft. Modenschauen, Salons und Showrooms werden veranstaltet, um die neuen Kollektionen zu verkaufen und die Firmenpräsenz in der Öffentlichkeit zu stärken. Aber da es sich um Mode handelt, und die ein Luxusprodukt ist, bei dem es um emotionalen Mehrwert und weniger um Nutzen geht, wird sie zur Fashionweek auf, vor und hinter den Laufstegen immer wieder aufs Neue zelebriert. Und um diese besonderen Momente zu erleben, gab es verschiedene Schnitzeljagd - Stationen.
Zuerst ging es an die Orte der Hauptattraktionen – den Modenschauen. Wo und in welchem Rahmen finden die Modenschauen der großen Modehäuser statt? Vivienne Westwood im Oratoire du Louvre, Chanel und Akris im Grand Palais und John Galliano im Palais de Tokyo. Die Studierenden sollten sich vor den Defilées an den Veranstaltungsorten einfinden, um mitzuerleben wer, wie, wann ankommt, welche Leute Aufmerksamkeit erhalten und warum und welche Leute überhaupt aufmerksam werden. Das sind Blogger und Modeinteressierte, die sich von der Spannung anstecken lassen wollen und hoffen, vielleicht einen der begehrten Plätze bei einer Schau zu erhaschen. Was sind das für Orte an denen die Modenschauen stattfinden? Wie ist die Stimmung, wie ist der Einlass geregelt? – darauf sollten die Studierenden achten. Spannend auch mitzuerleben, wie die Zuschauer der Schauen selbst aussehen, denn der Weg zum Laufsteg wird selbst zum Laufsteg. Die Buyer, Journalisten, Stammkunden und andere geladene Gäste lassen es sich natürlich nicht nehmen ihre neuesten modischen Errungenschaften selbst vorzuführen. Definitiver must have war dabei diese Saison der rosa oversized Wollmantel.
Eine andere wichtige Beobachtung ist natürlich, dass die Zuschauer einer Westwood Show anders aussehen, als die bei Chanel. Und da es um Mode geht, ist es wichtig zu verstehen wie die verschiedenen Code- und Zeichensysteme funktionieren. Zum Luxus und Glamour, dem verbindenden Faktor aller Modenschauen, gehört natürlich eine jeweils eigene Auffassung von Ästhetik und Stil. Der emotionale Mehrwert, der Kleidung zur Mode werden lässt, zieht Leute an, die sich mit eben diesem identifizieren wollen und können. Damit einher geht ein spezieller „Lifestyle“ den die Träger in ihrer Kleidung ausdrücken wollen. Entweder expressiv und schräg wie bei Westwood oder klassisch elegant wie bei Chanel.
Die Beharrlichkeit der Studierenden an den Eingängen der Modenschauen auszuhalten wurde am Ende belohnt und sie hatten Gelegenheit die Präsentation der Herbst/Winter 2014/15 Kollektion des schweizerischen Labels Akris anzuschauen. Das war ein echter Glücksfall, denn Akris hat sein zehnjähriges Bestehen auf dem Pariser Modenschaukalender begangen und dies mit einer bestechenden Kollektion gefeiert. Die Kollektion war inspiriert durch das Werk des Künstlers Thomas Ruf, der für seine Arbeit mit Bildmanipulationen bekannt ist. Seine Bilder wurden in Stoffdrucken, Oberflächenbearbeitungen und mit in die Kleider integrierten LED Leuchten interpretiert. Es ist eine herausragende Kollektion entstanden, die klassische Eleganz und experimentelles Modedesign verbunden hat. Der Kreativ Direktor Albert Kriemler hat den Studierenden ein wunderbares Beispiel für eine ausgewogene Kollektion gezeigt, die experimentelle Showteilen, inspirierte Mode und kommerzielle Bekleidung zusammenfügte.
Des Weiteren stand der sogenannte „Store-Check“ auf dem Plan. Wie der Begriff erahnen lässt, geht es dabei um den Besuch von ausgewählten Boutiquen, Multilabelstores oder Conceptshops. Eine übliche Praxis in der Designbranche, um sich einen Überblick zu verschaffen was konkurrierende Firmen anbieten, wie Geschäfte die Waren präsentieren oder wie die Endverbraucher auf das Angebot reagieren. Hierfür bietet Paris eine unfassbare Menge an Möglichkeiten von High-End-Super-Luxus-Boutiquen wie Chanel, Balenciaga, Dior, über Boutiquen, die die Kollektionen von jüngeren oder experimenteller arbeitenden Designern verkaufen wie Maison Martin Margiela oder Comme des Garçons bis hin zu den klassischen Pariser Modetempeln wie dem Printemps, Galerie Lafayette oder Le Bon Marche oder Geschäften mit Kultstatus wie Colette.
Dies war die erste Adresse für den Store-Check. Bei Colette findet man alles was gerade en vogue ist. Mode, Sportswear, Schuhe, Accessoires, Kosmetik, Parfüm, Schmuck, Uhren, Bücher, Elektrogeräte, Musik, Deko bis hin zu Kunst. Innen trifft sich eine internationale uberhippe Crowd, die offensichtlich Spaß am shoppen hat und wenn man Glück hat läuft einem sogar Karl Lagerfeld über den Weg. Draußen stehen die Blogger dieser Welt und fotografieren die Looks der Shopper. Colette lohnt sich immer, um Ausschau zu halten in welche Richtung die Trends gehen, welche Designer gefragt sind oder wohin sich das Konzept Conceptshop weiterentwickelt. Außerdem gibt es auch neben den Warenpräsentationen immer wahnsinnig viel zum Schauen.
Als nächstes stand Le Bon Marche auf dem Plan. Dabei handelt es sich um eines der großen kommerziellen Kaufhäuser von Paris. Gelegen auf der wohlhabenden „Rive Gauche“, nahe Saint Germains des Prets, kann man auf einer Verkaufsfläche von 32000qm² Luxusmarken in Shop-in-Shops kaufen, etablierte hochpreisige Modemarken und Marken aus dem mittleren Preissegment finden und daneben gibt es ein gut sortiertes und qualitativ hochwertiges Angebot verschiedenster Waren wie beispielsweise Haushaltsartikeln, Bürobedarf oder Spielwaren. Aus Anlass der Fashionweek, gab es sogar eine Ausstellung im Kaufhaus. Die Arbeit des New Yorker Modelabels Proenza Shouler wurde vorgestellt. Eine große Auswahl von Kleidern aus verschiedenen Saisons war zu sehen. Dazu gab es eine Installation und es wurde ein Film gezeigt.
Weitere besuchte Läden waren die Boutique des französischen multidisziplinären Labels Surface 2 Air, der Conceptshop Merci und den Flagshipstore von Comme des Garçons.
Während des ganzen Aufenthaltes galt es natürlich die Augen offen zu halten wie sich Passanten im Alltag anziehen - auf der Straße, in Ausstellungen oder der Boulangerie. Den Begriff „Streetstyles“ kennt man heutzutage aus den meisten Modezeitschriften. Es sind fotografisch dokumentierte Begegnungen mit Menschen, die einen aus der Masse herausragenden Stil haben. Damit werden üblicherweise Trends festgehalten und dem Leser vorgeführt. Abgesehen davon, dass man ablesen kann, welche Kleidungsstücke dringend eingekauft werden sollten und wie man sie trägt, kann man studieren was einen „Look“ ausmacht, dass er sich aus Kleidung, Schuhen und Accessoires zusammensetzt, aber die Attitüde des Trägers eine genauso wichtige Rolle spielt. Diese Attitüde ändert sich an verschiedenen Orten, Städten und Ländern und besteht ebenfalls aus einem differenzierten Zeichensystem. Die Studierenden sollten beobachten wie sich beispielsweise modische Leute kleiden und wo sie sich aufhalten. Die Ergebnisse sollten mit Beobachtungen verglichen werden, die in andere visuelle Kategorien eingeteilt werden können, wie den Anhängern von Subkulturen oder Arbeitern oder Touristen. Sie sollten auch versuchen festzustellen, ob es so etwas wie einen französischen Stil gibt und wie dieser aussieht.
Besuche in verschiedenen Showrooms standen auch auf dem Programm und zwar der VOID Showroom und der Showroom von Bernhard Willhelm. Showrooms sind die Präsentationsflächen auf denen Designer ihre neue Kollektionen den Einkäufern präsentieren, die dort ihre Order schreiben. Die Kollektionsteile, die dort im Unterschied zur Schau, in allen erhältlichen Farb- und Materialvariationen gezeigt werden, werden den Käufern direkt zugänglich gemacht, damit die ihre Auswahl entsprechend dem Kundenstamm oder des Ladenkonzeptes machen können. Hier werden die wahren Geschäfte mit der Mode gemacht. Im Unterschied zur Modenschau ist die Präsentation so nüchtern wie möglich gehalten, um das wirkliche Produkt zu zeigen, so wie es dem Endverbraucher schließlich angeboten wird.
Beim VOID Showroom handelt es sich um eine Gruppe skandinavischer Jungdesigner, die sich zusammen einen Raum in Paris mieten und nebeneinander eine Plattform für ihre Kollektionen schaffen. Rene Gurskov, ein dänischer Designer, der sich auf Herrenmode spezialisiert hat, zeigt hier eine bunte, spielerische Kollektion mit dem Titel „Worried about the Boy“. Die Kollektion ist inspiriert von dem Doku-Spielfilm über Boy George. Die Studierenden hatten Gelegenheit mit dem Designer über seine Arbeit zu sprechen, die Inspirationen für die Kollektion zu erfahren und die Kleidungsstücke anzuschauen, anzufassen und anzuprobieren. Er hat erzählt, dass seine Kollektion vor allem in Japan verkauft wird und dadurch, dass er nach Paris kommt, sich ihm die Möglichkeit bietet, die Einkäufer aus Asien zu treffen.
Als nächstes war die Gruppe bei Bernhard Willhelm, einem der wenigen deutschen Designer, der sich einen Namen in der internationalen Modeszene machen konnte. Sein Team hat sich für die Zeit der Fashionweek die Räumlichkeiten einer Galerie im Herzen des Marais gemietet, in der sie die Damenkollektion sowie die Schuh- und Sonnenbrillenkollektionen zeigen. Hier im Marais sind sie in guter Nachbarschaft zu unzähligen Labels, die die zentrale Lage des Viertels nutzen, um für die Einkäufer bestens erreichbar zu sein.
Die Kollektion ist inspiriert durch die Ästhetik einer virtuellen Realität, gepaart mit den Eindrücken, eines Aufenthaltes in Los Angeles – Flamingos, Kakteen und Hollywood. Es gibt wilde Stoffdrucke, Farbvariationen und körperferne Volumen, die den Körper gleichzeitig tarnen und hervorheben. In üblicher Willhelm Manier werden aus feinen Stoffen expressive Kunstwerke, die sowohl Träger als auch Betrachter zum überdenken von klassischer Ästhetik herausfordern.
Weitere Programmpunkte waren Ausstellungen im Museum Les Arts Decoratifs und im Museum Gustave Moureau, eine Performance im Palais de Tokyo und der Besuch des Schlosses Versailles und dem Weiler von Marie Antoinette.
Im Les Arts Decoratifs, das in einem Seitenflügel des Louvre untergebracht ist, gab es eine Ausstellung über das Werk des belgischen Designers Dries van Noten. Van Noten gehörte zu der berühmten Gruppe der Antwerp Six, die in den Achtziger Jahren die Modewelt erobert hat und ist selbst mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Pariser Modewoche geworden. Sein dreißigjähriges Schaffen wird in der Ausstellung gewürdigt und der 55jährige gibt in ihr einen Einblick darüber, wovon er sich inspirieren lässt. Fotos, Filme, Musik und berühmte Kunstwerke von Picasso über Francis Bacon bis Gerhard Richter sind seinen Kleidern gegenübergestellt und neben seinen eigenen Entwürfen, gibt es Ikonen der Modegeschichte wie beispielsweise dem „New Look Outfit“ von Dior zu sehen.
Alles in allem war die Reise zur Pariser Modewoche eine beeindruckende Erfahrung für die Sinne und inspirierend auf vielen Ebenen.