16|19|21 Barock Revisited
07.08.2015
Der Fachbereich Modedesign der MD.H München in Kollaboration mit dem Kostümarchiv und den Textilrestaurierungswerkstätten des Bayerischen Nationalmuseums.
In der heutigen Modewelt stellt die Erforschung von historischen Bekleidungsformen eine gängige Arbeitsweise von Couturiers wie Karl Lagerfeld, Marc Jacobs oder Vivienne Westwood dar. Sie lassen sich davon für neue Modekollektionen inspirieren und sehen es als Herausforderung, sich mit einer historischen Ästhetik auseinanderzusetzen und diese zeitgemäß zu interpretieren. Die Beschäftigung mit der Geschichte des eigenen Fachs stellt immer eine wundervolle Erfahrung dar und diese Kollaboration ist ein besonderes Erlebnis für die Studierenden der Gruppe MOD 1013. Sie hatten die Gelegenheit die Restaurierungswerkstätten des Museums zu besuchen und dort Originalstücke des Kostümarchivs hautnah zu erleben. Das Gesehene nutzten sie, um daraus Referenzen und Gestaltungselemente zu extrahieren, diese in ihre eigenen Entwürfe einfließen zu lassen und für zeitgenössische Mode neu zu interpretieren.
Da Originalteile schwierig zu finden sind, bezieht man sich üblicherweise auf Bildmaterial wie Zeichnungen, Malereien oder Fotografien. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Untersuchungen recht zweidimensional bleiben. Es fällt schwer ein wirkliches Gefühl für Form, Materialität oder Verarbeitung zu bekommen. Deswegen sind wir vom Fachbereich Modedesign umso glücklicher über die Möglichkeit, jahrhundertealte Kleidungsstücke aus der Sammlung mit eigenen Augen zu sehen und ihnen so nahe zu kommen, wie es die Regeln der Restaurierung erlauben.
In den Räumlichkeiten der Restaurierungswerkstätten wurden wir vom Referent für Textil sowie dem Restaurierungsteam empfangen, und konnten uns dort zwei Schauben aus dem 16. Jh. und 19. Jh. anschauen.
Schauben waren ursprünglich repräsentative Kleidungsstücke von Ratsherren, die sich in ihrer Form zum Teil bis in die Neuzeit erhalten haben, als Roben vor Gericht oder tatsächlich immer noch als Ratsherrengewand in Hamburg.
Die Untersuchung dieser beiden Stücke ist im Speziellen sehr interessant, weil das Jüngere eine Nachahmung des Älteren ist und wir damit eine Neuinterpretation gesehen haben, die für uns bereits selbst zu den historischen Kleidungsstücken gehört. Die Nachahmung aus dem 19. Jh. stammt aus dem Archiv eines Münchner Historienmalers und ist ein spannendes Beispiel für eine historische Interpretation des Originals.
Die beiden Archivstücke waren zu der Zeit unseres Besuches in Bearbeitung, so dass wir nicht nur Schnitt, Details, Materialien und Verarbeitung sehen konnten, sondern auch Prozesse und Vorgehensweisen im Zusammenhang mit der Restaurierung von Kleidungsstücken erfahren durften. Das hat die Studierenden derart begeistert, dass sie auch diese in ihren Entwürfen interpretiert haben. So wurde aus einer Schicht Tüll, die zum Schutz der Materialien unsichtbar auf die Originalteile aufgebracht wurde, eines der Hauptgestaltungselemente der studentischen Entwürfe. Darüber hinaus waren Form und Silhouette besonders inspirierend sowie die Betrachtung des gesamten Bekleidungsuniversums des Barock. Daraus wurden u. a. Scheinärmel, Stiftelfalten und Verschlusstechniken als Gestaltungselemente übernommen.
Auch die Arbeitsweise an diesem Projekt soll hervorgehoben werden, denn die Studierenden haben sich dafür zu einem Designteam formiert und gemeinsam an einer großen Kollektion gearbeitet. Jedem/jeder Teilnehmer/in ist eine bestimmte Rolle und ein Verantwortungsbereich zugefallen und alle Entscheidungen wurden gemeinsam diskutiert und gefällt. Die Studierenden übernahmen für den Gestaltungsteil des Projektes jeweils zwei Produktgruppen, für die sie Entwurfsvorschläge machten.
Gestaltungselemente, Farben und Materialien, sowie die Auswahl der Entwürfe wurden im weiteren Verlauf in der Gruppe entschieden. In Zusammenarbeit entstand aus 20 Händen eine ausgewogene Kollektion mit einer gemeinsamen gestalterischen Sprache. Der Grund für diese Vorgehensweise liegt darin, dass sie die Erfahrung machen sollten, wie gestalterische Arbeit im Team funktioniert. Die Herausforderung dabei ist, eigene Ideen und Entwürfe so zu gestalten und der Gruppe vorzutragen, dass man seine Vorstellungen im Endergebnis repräsentiert sieht und sich ebenso gut mit den Kompromissen arrangieren kann.
Wir freuen uns besonders über die fundierte Begleitung von Dr. Johannes Pietsch, dem Kostümhistoriker des Museums, der uns geholfen hat, die Kleidungsstücke historisch richtig einzuordnen und das Bekleidungsuniversum des Barock zu begreifen. Des Weiteren gilt unser Dank natürlich dem Team der Restaurierungswerkstätten, die uns freundlich empfangen haben und uns spannende Einblicke in ihren Berufsalltag gewährt haben. Am 11. Juli 2015 gab es auf dem Sommerfest des Museums ausgewählte Ergebnisse des Projektes zu sehen, die die Studierenden in einer feinsinnigen und romantischen Inszenierung präsentierten. Die Aufführung um den Narziss Brunnen im Garten des Museums wurde von den Besuchern des Sommerfestes begeistert aufgenommen und war laut der Museumsdirektion eine besondere Bereicherung für das Fest. Wir bedanken uns sehr beim Bayerischen Nationalmuseum, bei der Direktorin Frau Eikelmann und die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Frau Puhlmann für die tolle Gelegenheit, unsere Entwürfe zu zeigen, und natürlich allen Beteiligten für die tatkräftige Unterstützung.
Mitwirkende Studierende:
Vanessa Bärnthol
Arina Bolotueva
Sara Föhr
Bernadette Gmür
Felice Gronstedt
Simone Schmid
Michael Schneider
Anna Schuster
Anna Wiendl
Praxisprojekt wurde betreut durch:
Arnold Gevers
Anna Hinterdobler
Wir bedanken uns herzlich bei:
Bayerisches Nationalmuseum
Dr. Johannes Pietsch
Dem Team der Textilrestaurationswerkstatt des BNM:
Beate Kneppel
Dagmar Drinkler
Davinia Gallego-Monzonis
Leonie Korte
Models:
together models
Viky
Johanna
Zenzi
Maria
Michelle
Mia Models
Nadine
für das Haarstyling dem Team von Sassoon München
für das Make-up dem Team von Pure idea!
Tänzerinnen der Iwanson Schule:
Adriadne & Tanja