iBeacons, Briefkästen, Internet Of Things
30.06.2015
Nachdem nahezu jeder in seinem persönlichen Umfeld in irgendeiner Weise inzwischen online sein dürfte – ob mobil über Smartphone und Tablet, nur am Rechner zu Hause oder beides – arbeitet die Industrie nun daran, auch Geräte – oder noch allgemeiner: Dinge – mit dem Internet zu verbinden.
Als prominentestes Beispiel dafür gilt sicherlich die mit dem Internet verbundene Kaffeemaschine. Mit solch einem Gerät könnte man beispielsweise bei der Ankunft im Büro der Maschine bereits mitteilen, dass man einen Kaffee möchte und wie man ihn möchte, so dass dieser dann fertig zubereitet nur noch abgeholt werden muss.
Über den Sinn und Unsinn solcher Gadgets lässt sich vortrefflich streiten. Und tatsächlich ist es so, dass bei jeder technischen Innovation erst einmal viel gestritten wird, ob man etwas wirklich braucht oder nicht. Meist sind Technologien schon einige Schritte weiter als die Menschen, die sie nutzen sollen, und es bedarf erst einmal einer Evaluierung, was mit einer neuen Technologie wirklich sinnvoll ist. Dafür muss man sich mit dieser auseinandersetzen, experimentieren und verschiedene Möglichkeiten ausprobieren. Denn was nützt eine Technologie, die kein nützliches und brauchbares Anwendungsszenario liefert?
Beim Experimentieren mit einem Satz iBeacons hatte ich die Idee, einen Briefkasten zu entwickeln, der mich auf dem Handy benachrichtigt, sobald der Postbote da war. Es folgt eine kurze Beschreibung zu einem Projekt, das eigentlich niemand braucht: ein Briefkasten mit einer iBeacon:
iBeacons
"iBeacon” ist ein von Apple 2013 eingeführter Markenname für einen Standard, der eine relativ genaue Positionsbestimmung in Innenräumen ermöglicht. Dies geschieht mithilfe kleiner Sender, die auf dem Bluetooth Low Energy (BLE) Standard basieren. Der Name leitet sich vom englischen “Beacon” = “Leuchtfeuer” ab und beschreibt auch schon, was ein solches Gerät macht: Es sendet in regelmäßigen Abständen Funksignale aus, die von einem Smartphone mit einer entsprechenden App erkannt werden können.
Diese App könnte nun beispielsweise darauf programmiert sein, einen Hinweis an den Benutzer auszugeben oder sonstige Informationen anzuzeigen, sobald sich die iBeacon in Reichweite befindet. Das klassische Anwendungsbeispiel wäre zum Beispiel ein Kaufhaus in einer Fußgängerzone. Ein Benutzer, der die App des Unternehmens auf seinem Smartphone geladen hat, würde nun zum Beispiel Hinweise zu Sonderangeboten bekommen, sobald er an dem Kaufhaus vorbei läuft, in dessen Schaufenster eine iBeacon sendet. Im Kaufhaus selbst könnten mehrere iBeacons helfen, wiederum verschiedene Produkte hervorzuheben, abhängig davon, in welcher Abteilung sich der Kunde gerade befindet.
Damit das funktioniert, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
1) Der Kunde besitzt ein Smartphone
2) Der Kunde hat die App des Kaufhauses auf seinem Smartphone installiert
3) Es befindet sich eine iBeacon in der Nähe, wobei der Senderadius zwischen 1,5 Metern und 70 Metern variieren kann, um sicherzustellen, dass das Smartphone an einer bestimmten Position im Geschäft nur auf eine iBeacon reagiert
Die iBeacons selbst verfügen weder über eine Intelligenz noch über Inhalte. Jede iBeacon sendet lediglich eine Kombination aus drei Zeichenketten aus, die die jeweilige iBeacon eindeutig identifizieren. Auf dieses Signal reagiert schließlich eine speziell auf die Erkennung dieser iBeacon programmierte App auf dem Smartphone. Ohne diese App geschieht gar nichts. Und iBeacons lesen auch keine Informationen aus dem Gerät aus, sie speichern nichts oder tracken Benutzer in irgendeiner Form. Doch natürlich kann eine App auf dem Smartphone des Benutzers Daten über den Benutzer sammeln, z. B. dass sich dieser regelmäßig in der Heimwerker-Abteilung aufhält, also in der Nähe einer bestimmten iBeacon. So könnte es passieren, dass Sie in Zukunft Werbeanzeigen zu Bohrmaschinen, Sägen und Schraubenzieher-Sets bekommen.
So stellen die Hersteller von iBeacons ihre Produkte vor, das oben Beschriebene ist sozusagen der Standard-Anwendungsfall, der sicherlich für die meisten Werbetreibenden interessant ist. Für Studierende und Absolventen der MD.H, die später einmal in Agenturen arbeiten, ist es wichtig, sich frühzeitig mit den aktuellen Technologie-Trends auseinander zu setzen. Das wiederum bedeutet, dass wir uns als Professoren auch ständig mit neuen Technologien auseinandersetzen müssen, um die Möglichkeiten, Grenzen – und manchmal auch Gefahren, zum Beispiel in Bezug auf den Schutz persönlicher Daten – zu vermitteln.
Das Schöne an dieser Auseinandersetzung ist, dass man selbst erst einmal mit einer Technologie herumspielen darf, um sich damit vertraut zu machen.
Was kann man noch mit iBeacons machen?
Für mich persönlich sind ja immer auch Anwendungsfälle interessant, die der Hersteller erst einmal gar nicht vorsieht und um mich mit der Technologie vertraut zu machen, bestellte ich mir einen Satz iBeacons von Estimote.
Unsere Wohnung könnte man mit gutem Gewissen bereits jetzt als Smart Home bezeichnen: Ein kleiner Server schaltet bestimmte Steckdosen und die Thermostate der Heizung, abhängig davon, ob jemand zu Hause ist. Dazu erkennt der Server die Anwesenheit von unseren Smartphones im Netzwerk, schaltet bei Sonnenuntergang das Licht an, wenn jemand zu Hause ist und auch der Smart TV ist mit dem System verbunden. Habe ich bereits erwähnt, dass ich sehr technikaffin bin?
Mit iBeacons ist eine Steuerung abhängig vom Raum möglich, in dem sich jemand aufhält. Zuvor war es nur möglich festzustellen, ob sich eines unserer Smartphones im WLAN befindet oder nicht. Eine raumgenaue Steuerung kann noch viel mehr: So wird nach einiger Zeit die Heizung herunter geregelt, wenn sich längere Zeit niemand darin aufhält oder man könnte das Licht an- und ausschalten, wenn man einen Raum betritt oder diesen verlässt.
Bezüglich solcher Smart Home Steuerungen gibt es zur Zeit noch eine Vielzahl an Standards von verschiedensten Anbietern, also de facto eigentlich keinen wirklichen Standard und vieles muss man selbst entwickeln und mit mehr oder weniger großem Aufwand konfigurieren, damit alle Geräte zusammenspielen. Für den Anwender, der auf möglichst intuitive Bedienkonzepte hofft, gibt es derzeit nur Insellösungen, die oft keine komplexen Steuerungen möglich machen. Und so eine Lösung wollte ich entwickeln, was mit einigem Entwicklungsaufwand schließlich auch geklappt hat.
Doch im Nachhinein betrachtet ist der Einsatz von iBeacons für eine Smart Home Steuerung auch nicht viel anders als die Anwendung zu Marketing-Zwecken in einem Kaufhaus: Eine App reagiert auf eine iBeacon in der Nähe, doch statt Werbung dazu anzuzeigen, wird ein Befehl an einen Smart Home Server gesendet, der Steckdosen oder Thermostate entsprechend schaltet.
Ich suchte noch immer nach der ganz anderen Anwendungsmöglichkeit für iBeacons.
Der Smart Home Briefkasten
Die Idee dazu kam mir, als wir eine neue Wohnungstür bekamen. Die alte Wohnungstür hatte einen Briefschlitz, durch den der Briefträger die Post einwarf. Die neue Tür jedoch hatte keinen Briefschlitz, was die Montage eines Briefkastens neben der Wohnungstür notwendig machte.
Natürlich waren wir es gar nicht gewöhnt, jeden Tag nachzusehen, ob Post gekommen war, denn bislang war sie ja am Boden hinter der Tür gelegen, sobald man nach Hause kam und oftmals schaute man vergebens in den Kasten, obwohl keine Post gekommen war.
So entstand die Idee, mithilfe einer iBeacon anzuzeigen, ob Post gekommen war oder nicht. Eine App auf dem Smartphone würde auf die iBeacon reagieren und anzeigen, ob der Briefträger da war oder nicht.
Doch wie würde die iBeacon das merken? Ich würde einen elektrischen Schalter konstruieren müssen, dessen Stromkreis geschlossen wird, sobald Post da ist. Dieser Schalter würde die iBeacon aktivieren und diese dann dem Smartphone das Signal geben, dass Post gekommen ist.
Das könnte kompliziert werden…
“Flip to Sleep"
Schließlich kam von Estimote das Firmware-Update A3.0.1 für deren iBeacons heraus. In diesem Firmware-Update war ein Feature enthalten, das Estimote “Flip to Sleep Mode” nannte. Es sollte Entwicklern die Arbeit erleichtern, indem iBeacons schnell ausgeschaltet werden können, indem man sie einfach umdreht. Zuvor musste man für Funktionstests immer wieder den Raum verlassen und wieder betreten, um zu testen, ob die App richtig funktionierte, wenn der Sendebereich der iBeacon verlassen oder betreten wurde. Mit Flip to Sleep konnte man iBeacons ausschalten und wieder einschalten, einfach indem man sie umdrehte. Wie gesagt, war dieses Feature hauptsächlich für die Erleichterung von Funktionstests für Entwickler gedacht, doch für mich war das noch mehr: Es war mein Schalter für die iBeacon im Briefkasten.
Ich konstruierte mir aus einem Scharnier, einem Metallwinkel, einer Schraube und einem Magneten einen Mechanismus, der die iBeacon kopfüber im geschlossenen Briefkasten positionierte. In dieser Position sendet die iBeacon nicht, da sie sich im Flip to Sleep Mode befindet. Sobald der Briefkasten durch den Briefträger geöffnet wird, löst sich der Magnet von der Klappe und das Scharnier mitsamt iBeacon klappt herunter. Die iBeacon befindet sich nun nicht mehr im Flip to Sleep Mode und beginnt, ihr Signal auszusenden.
Mit einer entsprechenden App darauf reagiert nun mein Smartphone auf das Signal. Die Signalstärke habe ich auf das Maximum von 70 Metern eingestellt, so dass ich auch in der Wohnung eine Benachrichtigung erhalte, sobald die iBeacon durch das Öffnen des Briefkastens in den Sendemodus geschaltet wurde.
Nach Entnahme der Post muss lediglich die iBeacon mitsamt Scharnier wieder in die Ausgangslage geklappt werden bis der Magnet Kontakt zur Klappe hat. Die iBeacon geht wieder in den Flip to Sleep Modus und stellt das Senden ein.
Für den Anfang benutzte ich die App "Geofency" auf meinem iPhone, um auf die iBeacon zu reagieren. Es ging mir eher um ein “Proof of Concept” als um die Entwicklung einer eigenen App. Mit Geofency ist es möglich, iBeacons zu konfigurieren, auf die die App reagieren soll. Die App läuft im Hintergrund und führt eine vorgegebene Aktion aus, sobald sich die iBeacon in Reichweite befindet. In meinem Fall ist dies eine einfache Benachrichtigung.
Fazit
Es gibt eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten für iBeacons, die die Hersteller gar nicht vorsehen. Man muss sie nur finden. Mit dem Flip to Sleep Mode wurden iBeacons ein Stück intelligenter und können eingesetzt werden, um eine Verbindung zur realen Welt zu schaffen und bestimmte Zustände zu erfassen und an eine App zu kommunizieren.
Insgesamt ist das Thema “Internet of Things” sehr spannend und es wird sicherlich in Zukunft viele weitere smarte Alltagsobjekte geben. Ob es nun immer Sinn macht oder nicht, darüber lässt sich oft streiten. Ob man etwas braucht oder nicht, liegt oft im Auge des Betrachters. Natürlich braucht kein Mensch wirklich einen smarten Briefkasten. Was braucht der Mensch denn schon wirklich?
Und wir werden in den kommenden Jahren viele Dinge erleben, die eigentlich niemand braucht, aber die einige Menschen in ihrem Leben nicht mehr missen wollen.