Der Start eines Projekts – Zwei junge Visionäre entdecken die Textilwelt und gründen ein Fair Fashion Start-up-Unternehmen

15.03.2017

Fair herstellte Mode zu erschwinglichen Preisen für junge Menschen zu entwickeln und damit einen Beitrag für die Umwelt zu leisten ist das Ziel von Risto Saar, einem jungen Start-up-Unternehmen.

„Chapeau“ dachte ich im letzten Jahr, als ich davon hörte, dass der Sohn unserer Nachbarn, gerade das Abitur in der Tasche, mit einem Schulfreund zusammen nach Indien reisen wollte, um dort  einen Fair Fashion Hersteller zu finden, der ihre Entwürfe produziert.

Mir gingen sofort tausend Gedanken durch den Kopf. Zuerst einmal mein Respekt davor, dass die beiden textilbranchenunerfahrenen jungen Männer ins eiskalte Wasser springen wollen, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, welches es schon zuhauf gibt und bei dem der Preiskampf unumstritten groß ist.

Wie wollen sie den ganzen Entwicklungsprozess managen, die Produktion stemmen und wo platzieren sie ihr Produkt im Markt, ganz zu schweigen von der Finanzierung und vom Abverkauf? Das Textilgeschäft ist hart. Dann dachte ich: „Ja, warum denn nicht? Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Das ist genau die Generation, die mit ihrem Tatendrang und ihrer Energie Dinge bewegen kann und die auch Dinge bewegen muss! Was bedeutet es denn, über den Tellerrand zu schauen und mit offenen Augen durch die Welt zu marschieren? Es bedeutet zu lernen bewusst einzukaufen, nachhaltig zu leben und sich auch so zu verhalten. Gerade dieses Vorleben kann im Multimediazeitalter so schnell wie noch nie über Facebook, Twitter, Instagram als Trend weitergegeben werden und erreicht damit auch die, die sich in der Vergangenheit mit der Umsetzung schwer getan haben.

Solche jungen Visionäre brauchen wir! Junge Menschen, die ohne Vorbehalte, voller Energie und Überzeugung einen Teil der (Textil)Welt verbessern wollen und damit ihrer Generation zeigen, dass Nachhaltigkeit und Fair Fashion nicht nur trendige Begriffe sind, sondern dass jeder selbst seinen Beitrag leisten kann! Dass Fair Fashion Textilien nicht unbedingt extrem viel teurer als herkömmliche Produkte sind und auch noch gefallen können! Fair Fashion Mode auf den Markt zu bringen und dabei die eigene Zielgruppe ansprechen – ein faires Projekt!

Das Image der „Müslimode“ verblasst langsam, immer mehr Hersteller bringen Textilien auf den Markt, die sich optisch nicht mehr von den herkömmlichen „modischen“ Produkten unterscheiden. Wie definieren wir Mode überhaupt?
Ist es nicht auch Mode Bioprodukte zu erschwinglichen Preisen im Supermarkt zu kaufen. Wieso sollte das nicht auch bei Textilien und anderen Produkten noch besser funktionieren?

Kann der Kauf von fair produzierten Textilien zur Mode werden? Die Antwort ist: Ja! ...in der Hoffnung, dieser Trend etabliert sich zum Mainstream.

Große Fast Fashion Textilfirmen haben dies bereits begriffen. Sie bemühen sich, mehr Transparenz in die Lieferketten zu bringen, unterstützen Initiativen wie z. B. Ethical Trading, die die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben zu verbessern versuchen und kümmern sich um die Verringerung der Klimaemissionen in der Produktionskette. Sie nehmen verstärkt Bio-Baumwolle und recycelte Stoffe in ihre Kollektionen auf und sammeln Altkleider oder Pet-Flaschen ein, um daraus recycelte Stoffe produzieren zu lassen... sei es nun aus Imagegründen oder aus tiefer Überzeugung. Zumindest wecken sie mit ihren Aufrufen Aufmerksamkeit beim Konsumenten und wer weiß, welche Steine damit ins Rollen gebracht werden.

Tatendrang, Mut und Überzeugung sind die Steine, durch die die beiden jungen „Träumer/Fantasten“, wie sich Simon und Risto auf ihrer Website selbst nennen, ins Rollen gebracht wurden.

Aber der Reihe nach:

Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Indien im Jahr 2015, bei dem Simon auch eine nachhaltig produzierende Textilfabrik besichtigt, reift der Gedanke, sich mehr mit nachhaltiger Mode zu beschäftigen. Seine begeisterten Reiseberichte und Erfahrungen überzeugen auch Risto, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Zusammen hatten sie schon während ihrer Schulzeit unterschiedliche kleine Theater- oder Filmprojekte realisiert und so entsteht die Idee, gemeinsam für sich und andere nachhaltige T-Shirts, Longsleeves und Sweater produzieren zu lassen. Da sie das bisherige Angebot im Markt nicht überzeugt, verfestigt sich die Idee zudem noch.

Sie fangen an, mehr und mehr über nachhaltige Mode zu recherchieren und merken schnell, dass sie echte Taten folgen lassen wollen. Sie trauen sich zu, nun auch ein großes Projekt gemeinsam stemmen zu können. Der Austausch miteinander und mit anderen Menschen, die von ihrer Idee hören, ist sehr befruchtend und bringt sie Stück für Stück weiter in der Umsetzung ihres Traums. Das Projekt „Fair Fashion, die jeder tragen kann“ ist geboren.

Auf ihrem Weg treffen sie immer wieder Profis aus unterschiedlichsten Bereichen, die sie mit wertvollen Hinweisen und wichtigen Insiderinformationen versorgen. Sie sind überwältigt von der Hilfe und Zugewandtheit, die ihnen zuteilwird. Sie saugen förmlich alle theoretischen und praktischen Tipps auf und setzen sie mit viel Energie und echtem Tatendrang um, sei es theoretisch, wie die Erstellung eines Businessplans, oder praktisch, wie das Nähen eines T-Shirts. Ihr Wissensdurst begeistert mich dabei besonders.

Dass sie damit immer noch sehr am Anfang ihres Plans sind, wird ihnen schnell klar. Mit Unterstützung Ihrer Förderer arbeiten Simon und Risto an Ihrem Internetauftritt und parallel an Kontakten zu indischen Agenten bzw. Lieferanten und an der Planung ihrer Indienreise. Die Skizze ihres ersten Logos entsteht und Kommentare aus ihrem Umfeld, der zukünftigen Zielgruppe ihrer Produkte, werden entgegengenommen…

… und das alles ohne Vorwissen oder ohne ein Modedesign oder Modemanagement Studium!

Und dann geht es im September 2016 für 6 Wochen los, nach Indien. Rein ins Getümmel nach Tiruppur, der Stadt der Textilfabriken, dort wo auch große Marken produzieren lassen.


Simon und Risto in Indien Quelle: Risto Saar, Foto: ©Risto Saar, Köln, Simon Baingo

Sie werden durch Strickereien, Druckereien, Nähereien und andere Werkstätten geführt. Dabei lernen sie, dass bei der Vergabe des Auftrags an einen Agenten die Lieferkette nicht durchschaubar und transparent genug dokumentiert werden kann. Themen wie faire Löhne und Arbeitsbedingungen sind im Dschungel der vielen Fabriken und deren Subunternehmer nur schwer nachvollziehbar, geschweige denn beweisbar.


Indischer Arbeiter in einer Strickerei; Quelle: Risto Saar, Foto: © Risto Saar, Köln, Simon Baingo

Sie suchen vor Ort weiter und finden schließlich einen deutschen Produktionsleiter, der Ihnen genau das, was sie suchen, bieten kann. Die Zusammenarbeit entpuppt sich als sehr fruchtbar. Trotzdem verbringen sie zwischendurch immer wieder viel Zeit mit Warten. Warten auf Adressen aller Produktionsstandorte, warten auf Besichtigungstermine... Diese Zeit nutzen sie, um den Kontakt zu dem Produktionsleiter zu intensivieren, die Skizze ihres ersten T-Shirts mittels Photoshop und Word weiter auszuarbeiten, Arbeitsblätter wie Size- und Stylesheets für die Produktion zu erstellen und um den Ausbau ihrer Website voranzutreiben.

Nach drei bis vier Wochen ist es endlich soweit und sie reisen die Produktionsstandorte der gesamten Lieferkette ab. In der Gegend von Coimbatore besichtigen sie all die Fabriken, die nach der Färbung im Produktionsprozess an der Reihe sind, wie Näherei, Verpackung und Versand. Eine dreitägigen Zugreise zu den Biobaumwollfeldern und deren Reinigungs- und Aufbereitungsanlagen in der Nähe von Rajkot wird zur letzten Station ihrer Reise.


Besuch auf den Baumwollfeldern; Quelle: Risto Saar, Foto: © Risto Saar, Köln, Simon Baingo

Viele wertvolle Eindrücke und Erfahrungen bringen die beiden von ihrer Reise mit. Fachlich sind sie dadurch ein ganzes Stück weitergekommen und menschlich hat sie der Kontakt mit einer fremden Kultur bereichert. Sie sind gewachsen am Mut, loszuziehen, allein nur mit ein paar Adressen in der Tasche und dem Willen, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Beachtlich!

Von der ersten Idee bis heute sind viele Hürden überwunden und neue entstanden. Die Konkurrenz wächst schnell und die Positionierung im Markt wird schwieriger. Der verhandelte Preis für ihr erstes Produkt ist konkurrenzfähig, eine GmbH gegründet und der Online-Shop ist am Entstehen. Noch steckt ihr erstes T-Shirt in der Warteschleife zur Produktion, aber es wird kommen und darauf bin ich schon sehr gespannt!

Weiter so!

Wer das Fair Fashion Start-up Unternehmen Risto Saar weiter verfolgen möchte, den lade ich ein, ab und zu mal auf deren Website www.ristosaar.cologne vorbeizuschauen.