The Mod Way Of Life
11.01.2014
Mod-Sein hieß in den 1960er Jahren in Großbritannien bedingungslose Coolness gepaart mit einem elegant-akkuraten Bekleidungsstil, der in seiner Konsequenz seinesgleichen sucht. Noch heute steht die Jugendkultur der Mods synonym für einen Stil der Eleganz, Modernität und ein adrettes Erscheinungsbild mit Unangepasstheit und jugendlichem Aufbegehren vereint. Reminiszenzen an den Mod-Stil der 1960er Jahre lassen sich im aktuellen Modegeschehen und auf den Laufstegen der internationalen Fashion-Weeks beobachten. Besonders auf der Straße sieht man heute die typischen Elemente: der olivfarbene Military-Parka, Desert Boots, klassische Sonnenbrillen von Ray-Ban und Polohemden von Fred Perry, im Original oder als modische Adaption, sowie schlichte Anzugjacken in Kombination zu engen Hosen, Hemd und schmaler Krawatte. Durchaus mit mehr Nonchalance als das Vorbild, aber umso repräsentativer für eine sehr gegenwärtige Mode. Bemerkenswert ist, dass selbst in der Adaption die kühne Einfachheit des Looks das entscheidende Erkennungsmerkmal des Mod-Stils geblieben ist.
„In the early sixties a lifestyle evolved for young people that was mysterious, exciting and fast-moving. It was directed from within and needed no justification from without. Kids were clothes-obsessed, cool, dedicated to R&B and their own dances. They called themselves ‘Mods’.“
Richard Barnes
Ursprünglich geht die Jugendbewegung der Mods auf einzelne Jugendliche aus der unteren Mittelschicht zurück, die sich besonders durch einen sehr eleganten Bekleidungsstil auszeichneten. Zum Ende der 1950er Jahre lassen sich die ersten Anhänger des Mod-Stils ausmachen, ohne dass sie eine Bewegung konstituieren. In der Nachkriegsära begeisterte der Rock’n’Roll die Jugendlichen in Großbritannien. Die Mods lehnten das Derbe und Grelle des Rock’n’Roll ab und orientierten sich an Entwicklungen, die ihnen modern und neu erschienen. Modern Jazz und dessen lässiges Image begeisterte sie. Der italienische Lebensstil und französische Nouvelle-Vague-Filme wurden zu Vorbildern. In Anlehnung an Modern Jazz benannten sich Einzelne zu Beginn der Bewegung als Modernists woraus später in der verkürzten Form Mods wurde (Barnes 1991: 8f).
Die Jugendbewegung war zunächst überwiegend männlich geprägt und die äußere Erscheinung der Mods war gekennzeichnet von den schmal geschnittenen und knapp sitzenden Anzugformen der italienischen Männermode der 1950er Jahre, die sie bevorzugt maßgeschneidert anfertigen ließen. Im weiteren Verlauf wurde die Bewegung dominiert von Jugendlichen aus der britischen Arbeiterklasse, die das Mod-Sein zu ihrem ganz eigenen Lebensmotto deklarierten und dieses im Wesentlichen durch einen auffallend akkuraten und eleganten Kleidungsstil zum Ausdruck brachten (Baacke 1999: 72). Ebenso charakteristisch wie der Kleidungsstil erschien ihr Lebensstil: Übermäßig hedonistisch geprägt, standen Musik, Tanz, Clubs und Drogen in ihrem Lebensmittelpunkt. Tagsüber besuchten sie die Schule oder gingen einfachen Jobs nach und am Abend oder spätestens am Wochenende wurde exzessiv gefeiert (ebd.: 88). Sie besuchten Clubs, hörten mit Vorliebe Rhythm’n‘Blues aus Amerika und Musik von britischen Bands wie The Who oder The Small Faces.
Sie erfanden eigenwillige Tänze und putschten sich zum Ausgehen mit Amphetaminen auf. Auszugehen war zentral für ihre Lebensgestaltung, selbst während der Mittagspausen trafen sich die Mods in den Londoner Clubs, um Musik zu hören und zu tanzen (Hebdige 1983: 52). Das Leben im Hier und Jetzt genießen, das entsprach ihrer Lebensauffassung. Mit dieser Haltung widersetzten sie sich den leistungsorientierten Idealen ihrer Eltern sowie dem Streben nach Wohlstand und gesellschaftlichem Aufstieg. Sie widmeten sich allein dem Spaß gemeinsam mit ihren Freunden in Clubs abzuhängen und mit ihren Motorrollern durch die Stadt zu fahren. Zur Schule zu gehen oder einen Job zu machen, waren dabei lediglich eine lästige Pflicht oder das notwendige Mittel um genügend Geld für die maßgeschneiderten Anzüge zu verdienen, denn sie gaben ihr ganzes Geld für Kleidung und ihre Freizeitgestaltung aus (Barnes 1979: 7). Die Maxime der Mods war „looking and being ‘cool’“ (ebd.: 6). Alles an ihnen, ihre Art zu gehen, zu tanzen, zu reden und insbesondere sich zu kleiden, wurde unter der Prämisse der bedingungslosen Coolness zur Schau gestellt.
Die Mod-Kultur entsteht zunächst als Gegenbewegung zu der in den 1950er Jahren etablierten Bewegung der Teddy-Boys, auch Teds genannt, die den Beginn der britischen Jugendbewegung aus dem Arbeitermilieu heraus markieren (ebd.: 7f). Als entscheidendes Motiv für die Entwicklung von Jugendkulturen wird die Abgrenzung zu anderen Gruppierungen aufgefasst. Aus Abgrenzungsmechanismen zu den Teds und später zu den Rockern entstehen neue Verhaltens- und ästhetische Erscheinungsformen. Bei Heike Jenß heißt es dazu: „Die Opposition zu den Teds und später den Rockern wird in der Jugendkulturforschung als grundlegend für die Herausbildung der Mods betont und entsprechend werden ihre Stile als polarisierend zueinander definiert“ (2007: 53).
Knapp sitzende, dunkle Anzüge mit schmalen Revers im italienisch-klassischen Stil, weiße Hemden mit Button-down-Kragen zu sehr schmalen Krawatten sowie handgefertigte spitzgeformte Schuhe (winklepicker) oder Desert Boots aus Wildleder sind die essentiellen Bestandteile des Mod-Stils. Die Anzugjacken waren kurz und kastig (bumfreezer) geschnitten und wurden zu sehr schmalen Hosen getragen. Als Besonderheit galt, dass die Anzüge vorzugsweise maßgeschneidert waren und individuelle Veränderungen in Auftrag gegeben wurden. Es wurden bevorzugt Details variiert wie beispielsweise die Gestaltung des vorderen Kantenverlaufs der Jacke, die Anzahl der Verschlussknöpfe oder die Länge der Seitenschlitze. Innerhalb des sehr uniform strukturierten Stilschemas der Mods ließen diese Veränderungen ein gewisses Maß an Individualität zu (Barnes 1979: 8). Ein weiteres wichtiges Merkmal der Mods war der Motorroller. Es wurden bevorzugt die italienischen Marken Vespa und Lambretta gefahren, die im Laufe der Zeit mit Unmengen von chromblitzenden Scheinwerfern und sonstigen Accessoires dekoriert wurden (ebd.: 122). Bei Fahrten mit dem Motorroller trug man olivfarbene Military-Parka zum Schutz über den Anzügen und im Laufe der Zeit wurde der Look durch Polohemden von Fred Perry, Strickpullovern, Cardigans, Levi’s Jeanshosen und Turnschuhen ergänzt (ebd.: 9). Auch die Mod-Frauen waren eher unscheinbar gekleidet. Sie kombinierten Pullover zu Hosen und bevorzugten gerade geschnittene Kleidungsstücke, die im Gegensatz zur damals aktuellen Mode wenig figurbetont und weiblich erschienen. Kurzhaarfrisuren und flache Schuhe rundeten den männlichen Ausdruck des Looks ab. Im Kontrast zum makellos blassen Teint wurden die Augen mit viel Mascara und Lidstrich tief schwarz geschminkt. Männer und Frauen näherten sich in ihrem Äußeren einander an und es etablierte sich bei beiden ein androgynes Erscheinungsbild (ebd.: 16). Die Besonderheit des Mod-Stils war die ungewöhnliche Kombination von exklusiver Eleganz zu funktionaler Einfachheit, dessen Erscheinungsbild zwar sehr schlicht war, aber dennoch als extravagant und progressiv wahrgenommen wurde (vgl. Poschardt 1998: 242).
Die Faszination der Mods besteht seit den 1960er Jahren, die wiederkehrenden Revivals und Referenzen in der Musik und in der Mode zeugen davon. Besonders der Kleidungsstil ist prägnantes Merkmal der Mod-Kultur. Über Stil lassen sich Identität, aber auch Einstellung und Haltung des Einzelnen auf der ästhetischen Ebene vermitteln.
Alltagsästhetische Erscheinungen und Sachgegenstände, wie auch Aktivitäten und Erlebnisse werden zu einem situationsübergreifenden Schema zusammengefügt und bieten in der Wiederholung die wichtigen Prinzipien für die Bildung eines Stils (Schulze 1995: 102ff). Neben der Vermittlung von Identität und Identifizierbarkeit eines Individuums übernimmt Stil ebenso die Funktion, Zugehörigkeit zu einer Gruppierung zu demonstrieren, wie auch Ablehnung, Unterscheidung und Distinktion.
Die Besonderheit der Mods stellt ihr sauberes, elegant-unauffälliges, beinahe konservatives Erscheinungsbild dar. Sie bedienen sich eines Kleidungsstils, der augenscheinlich vielmehr einer privilegierten gesellschaftlichen Gruppierung zusteht als einer Gruppe Jugendlicher aus dem Arbeitermilieu. Die schmucklose Anzugform, die Kombination mit akkuraten Kurzhaarschnitten und der Hang zu einer ausgiebigen Pflege kennzeichnen einen Stil, der in seiner übertriebenen Genauigkeit und Korrektheit gänzlich konträr zum umtriebigen Lebenswandel der Mods steht. Bei Dick Hebdige wird der Mod als „ein typischer Dandy der unteren Klassen mit einer Manie für kleine Details“ bezeichnet, der sich „durch den Winkel seines Hemdkragens, durch den präzise bemessenen Schlitz seines maßgeschneiderten Jacketts oder die Form seiner handgearbeiteten Schuhe“ definiert (1983: 52). Tatsächlich erscheinen die Mods obsessiv in ihrem Bekleidungsverhalten und ihr Stil exzentrisch und exklusiv. Diese Form der Selbststilisierung und eine Haltung, die kompromisslos Coolness und Überlegenheit demonstriert sowie gänzlich resistent gegenüber gesellschaftlichen Konventionen erscheint, ohne dabei rebellisch zu sein, sondern vielmehr unreflektiert der Verstärkung der eigenen Identität dient, stellen die Ingredienzien des Mod-Seins dar. „The mod way of life“ steht synonym für eine Lebensauffassung, in der gesellschaftliche Anerkennung und Prestige einzig durch Stilkompetenz und Coolness bestimmt werden.
Auch aus heutiger Sicht stellt der Mod-Stil eine spannungsvolle Kombination von Kleidungsstücken aus ganz unterschiedlichen Kontexten und Genres dar. Der elegante Anzug wurde mit funktionalen Kleidungsstücken aus dem Sportbereich und der Militarybekleidung sowie zu lässigen Strickpullovern und Polohemden kombiniert. Aus der lustvoll provozierenden Kombination sich widersprechender Stile und Genres sowie der individuellen Abgrenzung zu anderen Gruppierungen ist heute ein spielerisches Stil-Sampling geworden, das sich nicht mehr auf gesellschaftliche Strukturen bezieht, sondern vielmehr Ausdruck individueller Identität ist. Heute sind Modeerscheinungen ihrem Inhalt nach pluralistisch, verbindende Tendenzen sind mitunter nur schwer auszumachen (Titton 2010: 98). Die Anerkennung als Person wird nicht mehr nur über die äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Gruppe zuteil, sondern über die Anerkennung der Individualität des Einzelnen. Stil ist somit umso mehr zum entscheidenden Indiz für Einzigartigkeit und Individualität geworden. Und dabei geht es weniger darum durch ein besonders exzentrisches Outfit aufzufallen, sondern möglichst authentisch für die eigene Identität in Erscheinung zu treten.
„The Mod Way Of Life“ ist in dem Sammelband „Cool Aussehen – Mode & Jugendkulturen“ (Hrsg. Diana Weiss) im Jahr 2012 erschienen und beim „Archiv der Jugendkulturen“ in Berlin herausgegeben worden.
Fachliteratur
Bildmaterial: Mod-Treffen, frühe 80er Jahre, aus: Spex 1/1984
Baacke, Dieter: Jugend und Jugendkulturen: Darstellung und Deutung, 3., überarb. Aufl. Juventa Verlag, Weinheim 1999.
Barnes, Richard: Mods!, Plexus Publishing Limited, London 1991.
Brake, Mike: Soziologie der jugendlichen Subkulturen: Eine Einführung. Campus Verlag, Frankfurt/Main 1981.
Hebdige, Dick: „Subculture: Die Bedeutung von Stil“, in: Diederichsen, Diedrich/Hebdige, Dick/Marx, Olaph-Dante: Schocker: Stile und Moden der Subkultur. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1983.
Jenß, Heike: Sixties Dress Only: Mode und Konsum in der Retro-Szene der Mods. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2007.
Polhemus, Ted: Streetstyle: From Sidewalk to Catwalk. Thames and Hudson, London 1994.
Poschardt, Ulf: Anpassen. Rogner & Bernhard, Hamburg 1998.
Schulze, Gerhard: Die Erlebnis-Gesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart, 5. Aufl. Campus Verlag, Frankfurt/Main 1995.
Titton, Monica: „Mode in der Stadt“, in Texte zur Kunst 78/2010, S. 89.