Paradiesvögel in der Haute Couture: federleicht und nie vergessen – Eine Ausstellung im MOMU, Antwerpen
25.08.2014
Die Ausstellung „Birds of Paradise“ im Modemuseum MOMA, Antwerpen, war ein Tribut für die elegante und raffinierte Verarbeitung von Federn in der Mode. Die Ausstellung zeigte Aspekte des Luxus, der Raffinesse, der Feminität und der Modernität, aber auch Themen dunkler Romantik und verlorener Unschuld.
Die Ausstellung:
Dank ihrer Schönheit, Feinheit und Leichtigkeit haben Vogelfedern verschiedenste Bedeutungen und wurden in der Geschichte und werden bis heute für eine Reihe von eleganten und luxuriösen Kostümen und Accessoires verarbeitet.
Wo in der Vergangenheit Federn generell für ihre Kostbarkeit und Zerbrechlichkeit geliebt wurden, sehen heutige Designer Federn unter dem Aspekt von Freiheit und Spiritualität. Die Perfektion der Feder und der kontrollierte Flug eines Vogels inspirieren seit jeher nicht nur Designer, sondern auch Fotografen und Künstler.
Der Besucher der Ausstellung durfte in eine verzauberte Welt eintauchen, die von den Lebewesen der Luft und deren Federn bestimmt war. Von der eleganten Kunst der Feder-Stickereien und der technisch raffiniert hohen Schneiderkunst eines der letzten Federmachereihäuser von Paris, dem Hause Lemarié, bis hin zu Kunstwerken aus Federn der britischen Künstlerin Kate MccGwire lud die Ausstellung ein, Filmkostüme und Kreationen großer Designer zu entdecken. Eine Auswahl von dekorativen Federkreationen auf Hüten, Schuhen und Fächern rundeten die Ausstellung ab. Die Ausstellung endete am 24.08.2014.
Die Kunst der Federmacherei – „Plumassiers“
Die Ausstellung demonstrierte die alte Kunst der Federschmuckmacherei an und stellte eines der letzten Federmachereihäuser von Paris, das Haus Lemarié, vor.
Im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte sich die Kunst des Federmachens zu einer eigenen Zunft. Es galten strenge Regeln. Sechs Jahre musste ein junger Federmacher als Geselle arbeiten, um dann mit einem Meisterstück seine Abschluss machen zu können. Ein Federmacher war ein Handwerker, der rohe Materialien in Kunstwerke verwandelte. Federn wurden mit Seife oder anderen Waschmitteln gesäubert, nach dem Trocknen sortiert und je nach Bedarf gefärbt oder gebleicht. Da Federn, wie Wolle und Seide auch, Proteine beinhalten, sind sie leicht mit Naturfarben zu färben.
Das Haus Lemarié verarbeitet seit 1880 Federn für die französische Haut Couture und setzt sie mit hoher Handwerkskunst in wundervoll raffinierte Federkreationen für Häuser wie Dior und Yves Saint Laurent um. Es ist spezialisiert auf das Aufarbeiten und Einsetzen von Federn und macht daraus z.B. künstliche Blumen.
In manchen abstrakten Kreationen sind die Federn so verarbeitet, dass sie nicht als solche erkennbar sind. Das demonstriert die hohe Kunst der innovativen Methoden technischer Verarbeitung von Federn.
Die schillernden Enten-, Straußen- und Hähnchenfedern werden in Handarbeit auf dem Seidentüll mit einem Spritzer Kleber an Lurexfäden angebracht.
Um die Existenz der Haute-Couture-Zulieferbetriebe zu retten, kaufte Chanel Mitte der 90-er Jahre neben anderen Handwerksbetrieben auch das Haus Lemairé. Die Ateliers arbeiten allerdings auch für andere Luxusfirmen wie etwa Dior oder Jean Paul Gaultier.
Birds of Paradise – Vögel und ihre Federn
Die Ausstellung präsentierte ausgestopfte Vögel wie Enten, Elstern, Hühner, Eulen, Raben, Meisen, Pfaue und Schwäne, deren Federn in den präsentierten Kreationen verarbeitet wurden.
Einige Vögel haben eine starke symbolische Bedeutung und laden dazu ein, näher betrachtet zu werden:
Der Höckerschwan, der vor langer Zeit von Europa und Zentralasien nach Amerika importiert wurde, wird seither als tropischer Vogel gesehen und verkörpert Reinheit, Würde, Liebe und Treue. Schwanenpaare bleiben oft ihr ganzes Leben zusammen. Mehr noch, dieser Vogel verfügt mit seinem weißen Federmantel über eine außerordentliche Schönheit. Erwachsene Schwäne besitzen bis zu 25 000 Federn. Die Daunen werden für viele verschiedene Produkte und Bekleidungsstücke verwendet.
Der Pfau, speziell der männliche mit seinem farbenprächtigen, schimmernden Federkleid ist ein Vogel mit vielen Assoziationen. Im christlichen Glauben steht der Pfau für Unsterblichkeit und die Wiederauferstehung Christi. Im Osten steht er für Wohlstand. Als ein Symbol für Stolz, Luxus und Reichtum werden die Federn gerne als Dekoration oder für Accessoires wie z. B. Fächer verarbeitet. Die oberen 100 – 150 Schwanzfedern sind sehr speziell, da sie viel länger als die Flugfedern sind. Der Pfau schlägt mit ihnen sein Rad. Die Schwanzfedern haben lange Fasern, sind blau-grün und reflektieren bronzefarben. Am hinteren Ende haben sie ein charakteristisches Merkmal in Form eines hellen, blauen Auges, dem Pfauenauge.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurden meist Pfauen-, Hühner- und teure südafrikanische Straußenfedern verwendet. Im 19. und 20. Jahrhundert setzte man zunehmend Taubenfedern und andere europäische und exotische Vogelfedern ein. London war zu dieser Zeit die Hauptstadt des Federhandels. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominierten die Straußenfedern. Sie wurden optisch verlängert, indem einzelne Fasern miteinander verklebt wurden.
Nach einer Periode von überwiegend weißen, grauen und schwarzen Straußenfedern wurden diese auch in anderen Farben und Farbverläufen gefärbt. Sie wurden meist für exklusive Abendroben verarbeitet. Die belgische Königin Astrid (1905 – 1935), Frau des belgischen Königs Leopold III., folgte dieser Mode und nutzte Straußenfederfächer. Nach dem zweiten Weltkrieg verschwand der Fächer allerdings als Accessoire aus der Modeszene.
Heute werden hauptsächlich Hühnerfedern eingesetzt. Sie werden gefärbt, gelockt und gebrannt, um den Federn von exotischen Wildvögeln zu gleichen. Auf diesem Weg werden die Wünsche der Modebranche realisiert, ohne unter Naturschutz stehende Wildvögel zu gefährden.
Federn und Accessoires
Hüte:
Zwischen 1850 und 1950 war es sehr in Mode, Hüte mit Federn zu dekorieren. Jede Periode hatte ihre Vorlieben, z. B. waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts exotische Vogelfedern der Hit. Durch Tierschützer wurde der Einsatz später verboten. Um die Jahrhundertwende waren Straußenfedern, Rüschen und Fächer die Instrumente der Verführung.
In den 20-er/30-er Jahren entwarf Elsa Schiaparelli kapriziöse kleine Hüte mit Hahnenfedern.
Von 1950 – 1960 sah man Hüte, die komplett aus Federn waren und die Trägerin aussehen ließen, als ob sie selbst ein Federkleid trügen.
Nach den 60-er Jahren verschwanden Federhüte aus der Straßenszene und wurden nur noch zu speziellen Ereignissen getragen. Die britischen Hutdesigner Stephen Jones und Philip Tracy spielen mit ihren spektakulären Kreationen eine Hauptrolle in dieser Szene. Ihre Kreationen werden in Ascot zum Pferderennen, von Film- und Popstars und der Monarchie getragen.
Alexander McQueen entwarf für Givenchy 1998/99 aufwendige Kopfkreationen
Besätze:
Aufgrund ihrer Feinheit wurden Federn im 19. und 20. Jahrhundert oft als Kragenbesatz verarbeitet. Sie sahen sogar manchmal wie imitierter Pelz aus. Speziell Marabufedern wurden gerne dafür eingesetzt, da sie aufgrund ihrer Flaumigkeit Pelz ähnelten. Ab 1960 setzten Cristobal Balenciaga und später YSL als erste Designer Federn ein, die ganze Kleider schmückten.
Schuhe:
Seit dem 19. Jahrhundert wurden Schuhe und Slipper mit Schwanenfedern verziert. Da die Federn allerdings sehr empfindlich waren, Sandalen und Pumps wenig Fläche zum Befestigen der Federn boten, erforderte es viel Geschick, die Kreationen umzusetzen.
Roger Vivier, der seine Karriere bei Christian Dior 1953 startete, gründete 1963 sein eigenes Label und realisierte wunderbare Kreationen mit Federn. Seit 2003 ist Bruno Frisoni Kreativdirektor des Hauses und führt die Experimente des Gründers weiter.
Texturen:
Federn dienen gut dazu, optische Täuschungen hervorzurufen. Sie können so verarbeitet werden, dass sie gar nicht wie Federn aussehen. Genauso ist es möglich, Federdrucke oder Stoffe einzusetzen, die wie Federn aussehen. Dank der unterschiedlichsten Federarten sind die Möglichkeiten unerschöpflich. So wie Federn oft Pelze imitieren können, werden Tierfelle auch manchmal im Gegensatz als Federersatz eingesetzt.
Federkleider - eine Zeitreise
In den Goldenen 20-er Jahren änderte sich die Mode schlagartig. Junge emanzipierte Frauen trugen ihre Haare als Bob und die Kleider wurden kürzer und lockerer, mit Pailletten bestickt oder einfach mit langer Perlenkette, Federboa und Fächern aus Straußenfedern getragen. Coco Chanel drückte Modernität aus, indem sie die Federn neu interpretierte. Sie entwarf schlichte Federkronen und einfach geschnittene, grafische Hüte, die sie mit gelackten Hahnenfedern dekorierte. In den 30-er Jahren kreierte sie Kleider mit abstrakt gedruckten Federmustern und entwarf Schmuck in der Form von Federn.
In der Fotografie dienten seit jeher Federn als wunderbare Motive. Sie haben grafische Qualitäten und lassen ihre Trägerin verspielt-verführerisch wirken.
Auch auf Hollywoods glamourösen Filmkostümen sah man mehr und mehr Federn. Filmemacher suchten ein neues erotisches Element, um nackte bzw. leicht bekleidete Frauenkörper zu umhüllen. Federn waren dafür die perfekte Lösung. Tanzoutfits von Ginger Rogers und Fred Astaire wurden mit Federn verziert und demonstrierten, wie populär Federn damals auf Hollywoods Kostümen waren.
Das berühmteste Ausstellungstück der Ausstellung war ein Mantel aus weißen Daunenfedern, den Marlene Dietrich das erste Mal 1957 im Sands Hotel in Las Vegas trug. Die Schleppe des Mantels ist 3,60 m lang und es wurden dafür Federn von mehr als 300 Schwänen verarbeitet.
Entworfen wurde der Mantel von dem Chefdesigner von Columbia Pictures Jean Louis of Hollywood. Neben ihren Film- und Showkostümen entwarf er seit 1953 auch Dietrichs private Garderobe. Marlene Dietrich war eine Perfektionistin und eine sehr anstrengende Klientin. Sie betrachtete ihre Kostüme als Kunstwerk und behandelte sie auch so.
Yves Saint Laurent verarbeitete in den 60-er Jahren Federn in Tanz- und Theaterkostümen. Inspiriert wurde er von der Tänzerin Zizi Jeanmarie, für die er viele Kreationen entwarf.
Er leitete damit einen neuen Stil ein, dem er bis zu seinem Karriereende folgte. Er läutete nicht nur die Emanzipation der Frau in der Mode ein, indem er einen Smoking für Frauen entwarf, sondern auch die Emanzipation der Federn. Federn umschließen und umschwingen den Körper wie eine luftige Wolke. Wie schon die 20-er Jahre standen die 60-er Jahre für die Befreiung der Frau. Die Feder unterstreicht diese Erscheinung und dient als perfektes Symbol der Leichtigkeit. YSL kreiert später in seiner Karriere ein Cape aus schwarzen Federn, das an einen Adler mit Flügeln erinnert – es ist die Personifizierung der Vogelfrau: mysteriös, flatterhaft und unergründlich.
Vor allem Chanel, Dior und Yves Saint Laurent setzten Federn in einer bestimmten Art und Weise ein, sie experimentierten mit unterschiedlichsten Effekten, grafisch, abstrakt, fein oder voluminös.
Da Hahn- und Hühnerfedern sehr preisgünstig und leicht in Form und Farbe zu bringen waren, waren sie sehr beliebt, um verschiedenste Texturen zu entwerfen: von imitierten Paradiesfedern bis zu ornamentalen Mustern, seidig wirkenden Daunen mit ausladendem Volumen.
Der Höhepunkt im Einsatz von Federn war zwischen 1980 – 1990. John Galliano, Lagerfeld und Mugler ließen ihren Federfantasien in extrem luxuriöser Form freien Lauf und das Haus Lemarié erweckte diese zum Leben. Immer wieder wurden unzählige neue Experimente mit Federn gemacht und es war unvorstellbar, dass eine große Show ohne luxuriöse Federnkreationen stattfinden konnte.
Thierry Mugler zeigte während seiner Haute-Couture-Show für den Sommer 1997 eine Abendrobe aus Hahnen-, Adler-, Tauben- und Paradiesvogelfedern, wobei der tiefe Rückenausschnitt von einem aus Federn gefertigten großen Schmetterling geziert wird. Die Verschmelzung einer Frau mit einem Schmetterling soll ihre Einzigartigkeit verkörpern.
Alexander McQueens Kreationen spiegeln das Gut und Böse des weißen und schwarzen Schwans aus Tschaikowskis Schwanensee wider.
Seit seiner Kindheit war er fasziniert von Vögeln im freien Flug, von ihren Federkleidern, den Farben, ihrer Gestalt und Schwerelosigkeit. Für ihn waren sie so vollkommen, dass er versuchte, ihre Schönheit auf die der Frau zu transferieren.
1998 schickte Paco Rabanne Revuekostüme mit Straußenfedern auf den Laufsteg
In Ann Demeulemeesters Arbeit spielen seit ihrer ersten Show 1991 Federn, speziell Taubenfedern, eine wichtige Rolle. Sie verkörpern für sie Freiheit, Demut und Poesie. Sie verarbeitet nur Federn von Vögeln, die für einen anderen Zweck, z. B. für den Verzehr, getötet wurden. Je nachdem, welche Optik sie erreichen will, färbt sie die Federn ein. Taubenfedern werden nach dem Färben matt und gräulich, während Federn vom Hahn glänzen.
Die neue Leichtigkeit der Federkleider inspiriert die Haute Couture der Avantgarde und über die Catwalks der Welt schweben traumhafte Kreationen.
Serkan Cura, in Antwerpen diplomiert, liebt es, mit Federn zu arbeiten und spektakuläre Haute Couture zu schaffen.
Jean Paul Gaultier hat mit seiner Haute-Couture-Schau mit dem Namen „Kokoriko“ (zu Deutsch: Kikeriki) Federkleider mit Ballett-Elementen zusammengebracht. Schmetterlinge, Federn und hauchdünne Stoffe schmückten Models und allen voran Dita von Teese.
Paradiesvögel in der Haute Couture eben – federleicht und nie vergessen –