Vom Kollektionskonzept zum Kollektionsrahmenplan in vertikalen Unternehmen der Modebranche

17.04.2014

Die Ziele des Kollektionskonzeptes und der Kollektionsrahmenplanung werden bei den vertikal denkenden und handelnden Unternehmen der Modebranche in der Regel direkt aus den Unternehmenszielen „Festigung oder Erhöhung des Marktanteils“ und „Sicherung oder Steigerung des Umsatzes (bei gleichzeitiger Sicherung oder Steigerung des Gewinns)“ abgeleitet.

Vertikal agierende Unternehmen wollen:
  • die „richtige“ (fair produzierte) Ware,
  • zum „richtigen“ Zeitpunkt
  • in der „richtigen“ Menge
  • zum „richtigen“ Preis,
  • anbieten & verkaufen können.

Dipl.-Ing., Dipl.-Wirt.-Ing. Britta Wiemer

Die „richtige“ Ware

Um diese operativen Ziele zu erreichen, wird saisonal zunächst ein Kollektionskonzept erstellt. Das Kollektionskonzept dient als Fundament für die Planung, Steuerung und Umsetzung der Kollektionsentwicklung vor allem in Hinblick auf die Fragen nach der „richtigen“ Ware zum „richtigen“ Zeitpunkt.

Elemente eines Kollektionskonzeptes

Folgende sechs Elemente sollte ein Kollektionskonzept beinhalten

  1. Formen
  2. Materialien
  3. Farben
  4. Dessins
  5. Stimmung/ Mood, Story
  6. Key Items

Bei den ersten vier Elementen handelt es sich um die Gestaltungsmöglichkeiten für Bekleidung.

Das fünfte Element (Stimmung/Mood, Story) ist unerlässlich für die emotionale Beschreibung der Ware, während das sechste Element (Key Items) zur Überprüfung dient, ob das Konzept die wichtigen aktuellen Styles (als abstrakte Vorgabe) tatsächlich beinhaltet.

1. Formen

Bei der Festlegung der Formen geht es darum, in welchem Verhältnis die Materialien zum Körper stehen/fallen. Dadurch werden unter anderem auch die Silhouetten bestimmt.

Typische Silhouetten sind:


Abb. 1: A-,H-,V- und T-Silhouette (eigene Darstellung)

Abb. 2: Y-,X- und O-Silhouette (eigene Darstellung)

Abb. 3: Trapez-, Zelt-, Empire- und Prinzesslinie (eigene Darstellung)

Außerdem wird festgelegt, ob Formen lang oder kurz, eng oder weit, ein- oder ausgestellt, körpernah, figurbetont oder tailliert sind. Ebenso werden Taillensitz, Schulterbetonungen und Hüfttiefen festgelegt.

Die wichtigen Formen werden als Skizzen oder Fotos visuell festgehalten oder zumindest verbal „skizziert“.


Abb. 4: Formenskizze (eigene Darstellung)

2. Materialien

Die Materialauswahl legt fest, welche Zusammensetzung (Fasern), und welche Beschaffenheit (Haptik, Optik, Fall) die zu verwendenden Materialien haben sollen und wird in der Regel durch kleine Stoffmuster („Swatches“) illustriert.


Abb. 5: Material-Swatches (eigene Sammlung)

3. Farben

Bei der Festlegung der Farben werden die Farben ausgesucht, die in der Kollektion verwendet werden sollen. Diese werden eindeutig bestimmt, entweder durch Farbmuster (Farbswatches) oder durch die genaue Bezeichnung durch das Pantone-System (Farbnummern in Kombination mit Farbnuancen, weltweit standardisiert). In der Regel wird bei der Farbfestlegung auch bestimmt, in welchen Kombinationen die Farben Verwendung finden sollen. Dazu werden Farbthemen erstellt, in denen angegeben wird, wie hoch die Anteiligkeit der Farben innerhalb eines Themas sein soll. Zusätzlich wird noch festgelegt, welche Farben in welchen Materialien und Warengruppen dargestellt werden.


Abb. 6: Farbthema / Farbkombination (eigene Darstellung)

Abb. 7: Anteiligkeit der Farben in einem Farbthema (eigene Darstellung)

4. Dessins

In einem Kollektionskonzept wird ebenfalls angegeben, welche Art der Dessinierung (Muster) in welchen Anteiligkeiten auf welchen Materialien Verwendung findet. Es wird also bestimmt, ob ein Material uni, faux-uni, kariert, gestreift oder bedruckt sein soll und wie viele Unis, Streifen, o. Ä. in der Kollektion vorkommen sollen. Dabei wird auch explizit auf die Ausprägung der jeweiligen Dessinierung eingegangen, z. B. ob grafische und/oder florale Drucke eingesetzt werden sollen. Ebenso werden bevorzugte Karogrößen, Streifenbreiten und Streifenrichtungen sowie mögliche Anzahl der Farben (bicolor, multicolor) vorgegeben.

5. Stimmung/Mood, Story

Dieses Element bezieht sich vor allem auf die Inspiration zu einem bestimmten (Farb-) Thema. Mit Hilfe von „Moodboards“ wird versucht, eine bestimmte Stimmung zu vermitteln, bestimmte Emotionen zu wecken. Es soll gezeigt werden, in welchem Umfeld die Ware gesehen wird, bzw. welche Geschichte hinter dem „Look“ steckt. Aus dieser (meist visuellen) Beschreibung ergeben sich das Styling in den einzelnen Themen und die Farbthemen an sich. In der Regel geben Moodboards daher auch eine bestimmte Farbstimmung wieder, oftmals auch erste Möglichkeiten von Materialkombinationen.


Abb. 8: Moodboard (eigene Darstellung)

6. Key Items

Bei den „Key-Items“ handelt es sich um bestimmte Styles, die in der geplanten Kollektion unbedingt vorhanden sein müssen. Pro Warengruppe wird festgelegt, welche „It-Pieces“ nicht fehlen dürfen, z. B. in der Warengruppe Mäntel ein Trenchcoat, ein Blazermantel, ein Swinger, etc. Dabei wird zum Teil angegeben, wann diese Key-Items am Point of Sale (POS) verfügbar sein müssen sowie deren bevorzugte Ausprägung. Mit Hilfe der beschriebenen Elemente eines Kollektionskonzeptes kann nun durch deren geschickte Kombination die „richtige“ Ware entwickelt werden.


Abb. 9: Auszug aus einer Key-Items-Liste (eigene Darstellung)

Der „richtige“ Zeitpunkt

Damit diese „richtige“ Ware zum „richtigen“ Zeitpunkt am POS vorhanden sein kann, wird zunächst grundsätzlich ermittelt, zu welchen Zeitpunkten im Jahresverlauf welcher Kundenbedarf besteht. So werden z. B. im Winter Winterjacken benötigt und im Herbst und Frühling Übergangsjacken.

Die folgende Abbildung zeigt anhand einiger Beispiele, welche Bekleidung zu welcher Jahreszeit tatsächlich benötigt wird.


Abb. 10:
Bekleidungsbedarf im Jahresverlauf (eigene Darstellung)

Eine besonders wichtige strategische Entscheidung besteht darin, im Anschluss an die Ermittlung des Bedarfs, festzulegen, wie lange vor dem tatsächlichen Bedarf die Ware ausgeliefert sein sollte, damit genügend von dem für Bekleidung verfügbaren Einkommens vorhanden ist (das Geld nicht schon bei Wettbewerbern für ein vergleichbares Produkt ausgegeben wurde). Bei modischen Innovationen muss der Auslieferungszeitpunkt so gewählt sein, dass die Zielkunden die Ware relativ früh kaufen können. Gleichzeitig darf die Ware nicht zu früh (weit entfernt von der Zeit des Bedarfs) am POS sein, da sie sonst unter Umständen erst zum Bedarfszeitpunkt bereits reduziert gekauft wird.

Auch die Vergangenheitsdaten werden zur Bestimmung des „richtigen“ Zeitpunktes herangezogen. Es kann ermittelt werden, mit welchen Waren- und Produktgruppen zu welcher Zeit die höchsten Umsätze erzielt worden sind. Dabei empfiehlt es sich, nicht nur die Daten des eigenen Unternehmens zu verwenden, denn es besteht dann die Gefahr, dass sich Fehler der Vergangenheit weiter fortsetzen (Bsp. – kein Umsatz mit Blazern in der Vergangenheit, weil kein Blazer angeboten wurde…). Es können Daten von Marktforschungsinstituten angefordert werden (gegen Bezahlung), die darüber Aufschluss geben, in welchen Warengruppen zu welcher Jahreszeit in bestimmten Zielgruppen welche Umsätze erzielt werden. Die Umsätze sollten in Kombination mit den Stückzahlen betrachtet werden, damit Umsatzsteigerungen durch Reduzierungen nicht das Bild verfälschen. Darüber hinaus sollten auch die Abverkaufsquoten bereits abgelaufener Saisons mit in Betrachtung gezogen werden.

Bei der Analyse der Vergangenheitsdaten in vertikalen Konzepten sollte nicht ausschließlich die Spiegelsaison betrachtet werden (gängige Praxis), sondern auch die kurzfristige Vergangenheit, da sonst aktuelle Trendverläufe nicht berücksichtigt werden können. Im Bereich der „Fast Fashion“ verlieren Vergangenheitsdaten, die ein Jahr zurückliegen an Bedeutung. Einen weiteren Faktor bei der Beantwortung der Frage nach dem „richtigen“ Zeitpunkt stellt der „Engpass“ des Beschaffungszeitraumes dar. Manche Warengruppen und-typen haben einen längeren Beschaffungszeitraum, so dass unter Umständen auch die Vorlaufzeit den Zeitpunkt des Eintreffens der Ware am POS maßgeblich bestimmen kann.

Die „richtige“ Menge

Die Frage nach der „richtigen“ Menge ist zwingend logisch mit der Frage nach dem „richtigen“ Zeitpunkt eng verbunden. Zur Mengenermittlung werden selbstverständlich auch die Vergangenheitsdaten analysiert. Es wird ermittelt, welche Ware zu welchem Zeitpunkt in welcher Menge zum regulären Preis verkauft werden konnte. Auch hier empfiehlt es sich, nicht ausschließlich die Spiegelsaison zu betrachten, sondern aktuelle Entwicklungen in die zukünftige Planung mit einzubeziehen. Ebenso müssen neue Trends berücksichtigt und quantifiziert werden.

Nicht vergessen werden darf bei der Mengenermittlung die Abverkaufsquote, denn wenn diese nicht 100% zum regulären Preis beträgt, muss entweder mehr Ware zur Verfügung gestellt werden, um den geplanten Umsatz zu erreichen, oder der geplante Umsatz muss im Vorfeld geplante Reduzierungen berücksichtigen.

Bei der Planung der jeweiligen Stückzahlen wird festgelegt, wie viele Optionen (ein Modell in einem Material, einer Farbe und einer Größe) bereitgestellt werden sollen (Sortimentsbreite) und wie oft die Optionen bereitgestellt werden sollen (Sortimentstiefe).

Der „richtige“ Preis

In vertikalen Konzepten wird der „richtige“ Preis nach dem Target-Costing-Prinzip bestimmt. Dabei wird festgelegt, welchen Preis ein nach dem Kollektionskonzept geplantes Produkt zu welchem Liefertermin haben soll. Im Anschluss daran wird ermittelt, wie viel dieses Produkt im Einkauf / in der Herstellung kosten darf und es wird entsprechend „gesourct“.

So entspricht der „richtige“ Preis kombiniert mit der „richtigen“ Menge und dem „richtigen“ Zeitpunkt, dargestellt in der „richtigen“ Ware unter anderem dem Umsatzplan im betrachteten Zeitraum und daraus ergibt sich dann jeweils das entsprechende Einkaufslimit. In Kombination mit dem Kollektionskonzept kann nach Beantwortung aller Fragen der Kollektionsrahmenplan erstellt werden.

Erstellung des Kollektionsrahmenplans

Erstellung des Sortimentsplans:

  1. Was muss unbedingt im Sortiment vertreten sein? (Auflistung der Key Items, Standardmodelle, Umsatzbringer, Modeartikel – Ausprägung nach Material und Formentyp)
  2. Wann müssen diese Artikel den Kunden zur Verfügung stehen? (Ordnen der Key Items in die gewünschte Lieferterminreihenfolge)
  3. Wie viele Artikel müssen jeweils bereitgestellt werden? (Planung der Farben, Stückzahlen und Größen aufgrund der prognostizierten Nachfrage)
  4. Wie viel ist der Kunde bereit für den Artikel zu bezahlen? (zusammen mit Punkt 3, Festlegung der Preislagen für die konkreten Artikel)
  5. Welcher Preisaufbau / welche Preisarchitektur ist gewünscht, vertretbar und sinnvoll? (Abgleich von Punkt 1-4 mit Zielvorstellung, ggf. Anpassung der Key Items oder der Zielvorstellung)
  6. Welcher Umsatz ergibt sich aus dem geplanten Sortiment? (ausrechnen der Planzahlen von Punkt 1-5)
  7. Welches erforderliche Einkaufslimit ergibt sich aus den Punkten 1-6? (Abgleich mit möglichem Limit und dann wiederum Anpassung des Sortimentsplans)
  8. Welche Lieferanten ergeben sich aus der Ableitung des Sortimentsplans? (Definition der Lieferanten, mit denen sich der Sortimentsplan optimal umsetzen lässt – damit zugleich Ermittlung fehlender Lieferanten)

Abgleich des Sortimentsplans mit dem Kollektionskonzept:

  1. Welche Farbthemen passen zu welchen Sortimentswünschen?
  2. Passt die sich ergebende Reihenfolge der Farbthemen, die sich aus der Sortimentsplanung ergibt, mit der trendgerechten Reihenfolge der Farbthemen überein?
  3. Sind die Farbthemen so aufgebaut, dass sich Restanten in folgende Liefertermine problemlos integrieren lassen?

Download:

Vom Kollektionskonzept zum Kollektionsrahmenplan in vertikalen Unternehmen der Modebranche (pdf)