Wunderbare Werbewelten als Inszenierung von Emotionen
25.03.2014
Eindrücke vom Deutschen Werbefilmpreis 2014 und zum Streitraum „Die große Verführung - oder: Gefühle in der Werbung“ aus Berlin
Werbung stellt den professionell geplanten Versuch dar, die Meinung und das Verhalten von Menschen durch spezielle Kommunikationsmedien und -techniken öffentlich zu beeinflussen, um ökonomische Ziele durchzusetzen. Strategisch ausgerichtete Medienangebote und Events sollen bei der Werbezielgruppe Aufmerksamkeit für die angebotenen Produkte, Leistungen und Botschaften erzeugen. Werbung fungiert als konstitutives Charakteristikum einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die auf das freie Spiel von Angebot und Nachfrage setzt. Das Ziel besteht darin, sie als strategische Kommunikationsvariante durch einen Konsumappell so einzusetzen, um den Verbraucher appellativ zu motivieren, die angepriesenen Produkte und Dienstleistungen zu erwerben.
Das kreative Spektrum der Produktwerbung ist groß. So kann das Kindchenschema eingesetzt werden, um Beschützerinstinkte beim Verbraucher zu wecken. Erotische Signale werden benutzt, um positive Assoziationen beim Rezipienten zu wecken. Alternativ wird auch mit Mitleidselementen gearbeitet, wenn im Rahmen von Spendenkampagnen bei Non-Profit-Organisationen Not und Elend gezeigt werden. Das Ziel besteht immer darin, Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden in einer Welt der permanenten Reizüberflutung zu erhalten. Es wird dabei auf Vor- und Leitbilder, Klischees und Stereotype zurückgegriffen, die Wünsche, Hoffnungen und Träume der potenziellen Kunden aufgreifen. Die Aufgabe der Werbung besteht darin, Informationen über Produkte zu generieren, um dem mündigen Verbraucher Vergleichsmöglichkeiten und Alternativen bei der Produktauswahl aufzeigen zu können. Dies findet in der Praxis jedoch eher selten statt. Faktisch soll die Schaffung von positiven Assoziationen und Emotionen den Konsumenten zur Kaufentscheidung motivieren.
Die zunehmende Überflutung mit Werbung auf allen Medienkanälen verlangt nach innovativen Strategien, um die Aufmerksamkeit der potenziellen Käufer zu erreichen. Denn nur, was wahrgenommen wird, hat auch die Chance von den Unternehmen für den Produktverkauf strategisch genutzt zu werden. Am vergangenen Wochenende gab es gleich zwei Veranstaltungen in Berlin, die sich mit Werbung auseinandergesetzt haben. Während am Samstag der Deutsche Werbefilmpreis im Kino International vor mehr als 500 geladenen Gästen von der Deutschen Werbefilmakademie vergeben wurde, hat die Diskussionsrunde „Streitraum“ das Thema unter der Überschrift „Die große Verführung – oder: Gefühle in der Werbung“ am Sonntag in der Schaubühne aufgegriffen.
Der Deutsche Werbefilmpreis 2014
Die Preisverleihung fand am 22. März im Kino International statt. Es ging dabei um die Auszeichnung der filmischen Arbeiten, die von den Kreativen der Filmbranche vorgelegt worden sind.
Ausgerichtet wurde das Event von der 2013 gegründeten Deutschen Werbefilmakademie, die sich aus Teilnehmern aller kreativen Bereiche des Werbefilms zusammensetzt. Unter dem Vorsitz von Jurypräsidentin Bettina Olf (thjnk) entschieden die Fachjuroren erst wenige Stunden zuvor final über die Preisträger. Die Fachjurys wählten die Sieger aus mehr als 600 Einreichungen aus. Insgesamt wurden die Preise in den Kategorien Regie, Skript, Kamera, Schnitt, visuelle Effekte, Art Department und Komposition//Sounddesign verliehen. Zudem vergab die Deutsche Werbefilmakademie auch einen mit 7.500 Euro dotierten Preis. Hier überzeugte Andreas Bruns die Jury mit seinem Film „Save your skin“ für die Marke LUX.
Tony Petersen, Vorstandsmitglied der Deutschen Werbefilmakademie, freute sich gleich zu Beginn seiner Eröffnungsrede über die große Resonanz, da die Veranstaltung ausverkauft war: „Wir brauchen ein Schaufenster für unsere Arbeit, um zu zeigen, was wir leisten und ebenso, um uns selbst anzuspornen, mehr Gas zu geben. Aber wir haben einiges verändert: So haben wir die Einreichungsgebühren abgeschafft und auch ein paar Kategorien. Jeder der gute Arbeit leistet, soll auch was einreichen können.“ Damit wurde eine Zugangsschranke beseitigt, wodurch noch mehr herausragende Einreichungen berücksichtigt werden konnten.
Die Qualität der eingereichten Werbewerke konnte sich sehen lassen. Renommierte Agenturen wie Jung von Matt/Alster, Grey Worldwide, Scholz & Friends stehen seit Jahrzehnten für gehaltvolle und kostenintensive Produktionen. Das Spektrum der Kunden bzw. Produkte reichte von Versicherungen, Telefon- und Elektroanbietern, Banken, über Versandhäuser, Baumärkte bis hin zu Energieversorgungsunternehmen. Mit Smart, Audi, BMW und BMW MINI sind die Spots mehrerer Automobilkonzerne nominiert und z.T. auch ausgezeichnet worden.
Es war angenehm, dass die Veranstaltung kurzweilig konzipiert war. Auf ausgedehnte Showelemente wurde verzichtet. Der Komiker Heinz Strunk hielt lediglich einen launigen und selbstironischen Vortrag über die Werbebranche, der sinnfreie Weisheiten wie „Nur wer loslässt, hat beide Hände frei“ zum Besten gab. Der selbsternannte „One-Man-Think-Tank“ hat mit seinem großartigen satirischen Gastbeitrag das Motto des Abends in dem Satz „Auch Werber sind Menschen und Glück ist positiver Cashflow“ zusammengefasst.
„Add Power“ räumte Preise in drei Kategorien ab
Primär stand aber die Arbeit der Kreativen bei der Preisverleihung im Mittelpunkt des Interesses. Einige Filmbeiträge wurden häufiger gezeigt, da sie in mehreren Kategorien nominiert worden sind. So wurde der technisch aufwändige Beitrag „Add Power“ von Vodafone der Agentur Jung von Matt/Alster gleich in drei Kategorien ausgezeichnet. Die Preisträger Sheldon Garber und James Allen räumten die Preise für die beste Regie, die besten visuellen Effekte und das beste Art Department ab.
Der Hornbach-Spot als Hauptgewinner
Als insgesamt bester Werbefilm 2014 ging an Czar Film. Hier wurde der Hornbach-Spot „Und was bleibt von Dir?“ von Mirjam Kundt, Guido Heffels und Sabina Hesse ausgezeichnet, der auf direkte Emotionen und nicht auf Computertechnik setzte. Der Preis ging an die Heimat Werbeagentur für ihr Werk „Und was bleibt von Dir?“, der von Czar für die Baumarktkette Hornbach produziert worden ist. „Wir haben uns gefragt: Kann ein Werbefilm die Kraft haben, Dinge zu verändern?“, würdigte Juryvorsitzende Bettina Olf in ihrer Laudatio die Sieger-Produktion. „Wir haben einen Film ausgezeichnet, der nicht vom Herzen auf die Geldbörse zielt, sondern bei dem am Ende eine Frage steht.“
„Die große Verführung oder: Gefühle in der Werbung“ – Die Debatte in der Schaubühne
Emotionen in der Werbung standen auch im Mittelpunkt der Diskussionsrunde unter der Leitung der Journalistin Carolin Emcke, die den Historiker Valentin Groebner und den Werbertreibenden Alexander Makat in der Schaubühne Berlin am 23. September zu Gast hatte. Der Fokus der Debatte richtete sich auf Gesichter in der Werbung, die positive Identifikationen mit den Werbeträgern erzeugen sollen. Dabei, so Makat, macht die Kreation von positiven Gefühlen insgesamt 99% der Arbeit der Werber aus. Nicht die Information über Produkteigenschaften steht im Mittelpunkt des Interesses, sondern Emotionalität und Übertreibung haben sich bewährt, um die Zielgruppe zu erreichen.
Nahezu jede Branche arbeitet in der Werbung mit Emotionen. Es geht um die Bildung von Vertrauen, die Erzeugung von Sehnsüchten und die Identifikation mit Welt- und Rollenbildern sowie Werteorientierungen. Das Grundprinzip der Werbung basiert darauf, Einstellungen so zu beeinflussen, dass daraus Kaufhandlungen resultieren. Die Auswahl von Gesichtern ist häufig durch Klischees und Stereotypen geprägt, wobei die Identifikation durch Sympathie und Seriosität mit dem Werbeträger entscheidend für den Erfolg der Kampagne ist. Das Kindchenschema durch große Augen oder prominente Testimonials können dabei eingesetzt werden, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Es kommt insgesamt darauf an, dass Werbung einerseits flüchtig wahrgenommen werden kann, ohne zu stören, andererseits aber auch genügend Aufmerksamkeit erhält, um im Sinne der Anbieter verarbeitet werden zu können. Grundsätzlich sollte nicht aggressiv, sondern verheißungsvoll geworben werden. Glaubwürdigkeit ist hierbei unverzichtbar, um Erfolg zu haben. Werbung, die manipuliert, wird langfristig scheitern.
Groebner wies darauf hin, dass Werbung an das Kriterium der Vervielfältigung und Reproduzierbarkeit geknüpft ist. Seiner Analyse zufolge zeichnet sich ein Trend zu Ich-Botschaften ab, der eine direkte visuelle Ansprache an den potentiellen Kunden beinhaltet. Der exemplarische Blick auf Werbeanzeigen im Profit- und Non-Profit-Bereich machte die Mechanismen deutlich, durch die Gesichterwerbung als Generalschlüssel für die emotionale Ansprache wirkt. Dabei richtete sich der appelative Blick auf Beispiele der Banken- und Bierwerbung ebenso wie auf eine Kampagne zur Organspende und einer Hilfsorganisation. Die unmittelbare Blickfixierung trägt dazu bei, dass Vertrauen, Sympathie und Identifikation aufgebaut werden können. Das eigentliche Produkt kann dabei auch in den Hintergrund treten.
Am Ende der Veranstaltung meldete sich noch ein Zuschauer, der für werbefreie öffentliche Räume plädierte. Auch wenn er mit dieser Idee durchaus Verständnis auf dem Podium erntete, so unrealistisch mutete jedoch die Vorstellung an, dass dieses Ansinnen jemals Realität werden könnte.
Fazit
So unterschiedlich beide Veranstaltungen insgesamt waren, so faszinierend war die jeweilige Auseinandersetzung mit dem Thema Werbung. Bei der Preisverleihung des Werbefilmpreises haben die Kreativen eine großartige Leistungsschau präsentiert. Das Streitforum setzte hingegen auf eine kritische Analyse von Werbung, die potenziellen Wirkungsmechanismen im Allgemeinen und durch die strategische Darstellung von Gesichtern im Besonderen, um Kaufentscheidungen zu generieren.
Die Schlüsselszene im ausgezeichneten Werbespot von Hornbach beim Werbefilmpreis zeigte schließlich auch den Blick eines Protagonisten, der Tränen in den Augen hat. Hier haben die Emotionen offensichtlich auch die Jury positiv berührt…
Bildquelle: Pressebilder vom Deutschen Werbefilmpreis 2014
Weitere Links:
kostenloses Bildmaterial zur Verleihung des Deutschen Werbefilmpreises zum Downloaden
Die Preisträger des Deutschen Werbefilmpreises 2014 im Überblick
Homepage Deutscher Werbefilmpreis
Homepage Deutsche Werbefilmakademie