Menschenkenntnis für Führungskräfte
07.01.2015
Führungskräfte lernen viel Fachliches, aber haben oft wenig Zeit und Muße sich abseits vom operativen Geschäft mit ihrer eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen, obwohl dies für das Weiterkommen im Berufsleben nicht nur für Führungskräfte von großer Bedeutung ist. Geht es beispielsweise um die Einstellung eines neuen Mitarbeiters, so begnügt man sich oft mit einem vierstündigen Vorstellungsgespräch, um etwas über seine Persönlichkeit und Eignung zu erfahren. Eine der wichtigsten Fragen lautet: Hat der Kandidat Persönlichkeit? Hierzu zählen selbständiges Denken und Handeln, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit , Fairness im Umgang mit anderen. Damit nicht genug: Es schließen sich soziale Kompetenz, Durchsetzungsfähigkeit, Charisma oder auch Glaubwürdigkeit an. In diesen Kategorien eingeschrieben ist auch Ausdrucksfähigkeit und Ausstrahlungskraft. Fähigkeiten, die sich bei jedem Kandidaten der Beobachtung entziehen. Ein Ansatz, wie diese Informationsasymmetrie zwischen Kandidat und Arbeitgeber verringert werden kann, ist die eingehende Beobachtung des Kandidaten unter der "Laborsituation" Einstellungsgespräch. Mimik, Gestik und kleinste körperliche Regungen, besonders im Gesicht sollen Aufschluss über die Authentizität der Person liefern.
Die Personalverantwortlichen suchen nach Spuren im Micro-Ausdruck des Gesichts. Wie glaubwürdig sind die Angaben in der Bewerbung? Je nachdem welcher Eindruck entsteht, schließt der Interviewer von der Visitenkarte des Gesichts auf das Innere des Kandidaten. Und dabei spielen auch subjektive Präferenzen eine Rolle. Trotz hervorragender Referenzen kann es daher passieren, dass nicht die Person eingestellt wird, die rational betrachtet die geeignetste ist, vielmehr der- oder diejenige, welche(r) besonders mit Sympathiewerten punktet.
Die fachlichen Fertigkeiten, die eine Person für eine Stelle eignen, das qualifizierte Fachwissen ist nur eine Seite der Medaille. Die Förderung des Mitarbeiters zur optimalen Leistung die andere, und ein Kennzeichen erfolgreicher Führung. Es gibt einige Tätigkeiten, die ein gesunder Mensch in der Regel gerne tut: er arbeitet gerne. Eine weitere Tätigkeit, die vielen Menschen großes, bisweilen detektivisches Vergnügen bereitet: Was sagt das Gesicht über den Charakter?
Die exorbitante Zunahme der Gesichtsportraits auf Internetportalen (wie Xing oder Facebook) laden den Menschen tagtäglich geradezu dazu ein, ähnlich wie im Hollywoodkino oder Fernsehen, permanent Personen zu interpretieren, die uns durch Medien scheinbar nahe gebracht werden. Grundlage ist stets der erste Wahrnehmungseindruck, den wir von einem Menschen haben. Wir schauen auf sein Gesicht. Noch bevor ein Mensch spricht, wird in Bruchteilen von Sekunden ein Urteil gefällt. Ist das von Vor- oder Nachteil? Sie merken: Hier beginnt Kommunikation.
Das Gesicht als Botschaft
Das Gesicht ist eine Botschaft, das wir stets entschlüsseln dürfen (wie in der Populärkultur), und gar müssen, wie beim Pokern oder im Geschäftsleben, um erfolgreich zu sein. Von der erfolgreichen Kommunikation der Selbstpräsentation und Körpersprache bis hin zur Rhetorik und Ausstrahlung , - die zentrale Wirkung des Gesichts ist evident. Im Zeitalter von Facebook und Smart-Phone steht das menschliche Individuum mit seiner Technik im Zentrum. Technik verknüpft den Menschen mit der weltweiten Gesellschaft des Internets und macht uns zum Bestandteil vieler Netzwerke, in denen wir uns tagtäglich virtuell bewegen. Aber die Medientechnologien trennen auch die Gliedmaßen vom Kopf: Viele fremde Betrachter kennen von unserem Dasein nur unser Gesicht. Die Einheit von Denken, Fühlen und Seele wird im Zeichen der medialisierten Alltags- und Berufswelt aufgelöst, zurück bleiben Fragmente. Eines der prominentesten und privilegiertesten Fragmente ist die Großaufnahme des Gesichts, denn es bleibt als zentrale Botschaft stets unversehrt. Freilich muss man im gleichen Atemzug betonen, dass uns spätestens im Geschäftsalltag einer Face-to-Face Verhandlung die Ausstrahlung des ganzen Menschen wieder einholt. Das also Körperhaltung, Kleidung, Bewegung, Stimme, Hände und auch Geruch eine große Rolle spielen, abgesehen vom sozialen Status. Der strategische Einsatz des Gesichts stellt das Individuum vor vielfältige Probleme; Gesichter zu lesen ist komplex und bereitet dennoch viel Vergnügen. Vor allem, wenn man bereit ist, aus seinen Beobachtungen und Erfahrungen zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Menschenkenntnis: die Kunst mit Menschen umzugehen
Missverständnisse und Konflikte sind oftmals das Ergebnis falsch interpretierter und unbedarft eingesetzter Botschaften. Guter Wille allein reicht nicht mehr aus, wenn die Herausforderungen im internationalen Geschäft auf die Geschäftsführung zu kommen. Den anderen zu verstehen, bedeutet auch sich selbst zu hinterfragen. Wie kann ich mich auf einen Geschäftspartner optimal einstellen? Trifft man auf einen Geschäftspartner, der aus einem anderen Kulturkreis stammt, ist es ratsam sich kulturell vorzubereiten.
Wie kann das Gesicht strategisch eingesetzt werden, um effektiv Kommunikation zu führen, ist die zentrale Frage. Führung ist im Zeichen des kooperativen Führungsstils an den Aspekt der sozialen Kompetenz gekoppelt. Soziale Kompetenz beinhaltet unter anderem:
- Sich auf wechselnde Partner einzustellen und
- Die Absichten anderer zu entschlüsseln. Viele Menschen sagen nicht, was sie denken.
- Sich angemessen darzustellen und
- Marginalexistenzen anzuerkennen - die berühmte graue Maus, die abseits steht. (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 18-19)
Was kann man daraus ableiten? Zunächst: Der Umgang mit Menschen ist komplex, und Kommunikation bleibt wirkungsunsicher. Im Zeichen der internationalen Arbeitsteilung und der Expansion in neue Märkte wachsen auch die Herausforderungen. Durch die Globalisierung treffen unterschiedliche Denkweisen, Wertvorstellungen und Kommunikationsstile aufeinander. Es gibt neue Herausforderungen, die im Berufsleben eine neue Vorbereitung, eine neue Professionalität erfordern. Es gilt, neue Kunden und Kollegen zu überzeugen oder gar neue Freundschaften zu schließen. Die Signale des Gegenübers wahrzunehmen, sein Verhalten richtig zu deuten und darauf entsprechend zu reagieren, ist eine der Schlüsselkompetenzen für den beruflichen und den privaten Erfolg.
Die Frage, die sich im Geschäftsleben Führungskräften stellt: Können wir mit einem Menschen, der uns auf dem ersten Blick unvertraut, fremd und oder gar feindlich gestimmt erscheint, effektiv zusammenarbeiten? Und gerade im Zeichen globaler Märkte, die uns neue interkulturelle Kompetenzen abverlangen: Wo sind Gemeinsamkeiten und Potenziale, wo augenscheinlich Unterschiede existieren?
Unternehmen wollen Mitarbeiter, die auf der rationaler Ebene funktionieren, sie haben wenig Verständnis, weshalb sie sich um die emotionale Gefühlslage ihrer Mitarbeiter kümmern sollen. Dennoch existieren neben den Sachkonflikten auch Beziehungskonflikte. Weitaus mehr als man gemeinhin annimmt. In westlichen Wirtschaftssystemen wird ungern eingestanden, dass Beziehungskonflikte existieren. Der Beziehungskonflikt ist ein betriebliches Tabu: Beziehungskonflikte werden im Handumdrehen zu Sachkonflikten umettiketiert. (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 45) Ein Mitarbeiter, der sonst hilfsbereit war, hat plötzlich keine Zeit mehr - aber Sie merken an seiner abweisenden Haltung und seinem Ausdruck im Gesicht, dass etwas anders ist als sonst. Vielleicht weicht er Ihnen aus, meldet sich nicht mehr auf Ihre Emails und will ihr Gesicht nicht sehen.
Mit anderen Worten: Wenn die emotionale Schiene blockiert ist, können wir nur schwer auf der rationalen Ebene erfolgreich miteinander kommunizieren. Wir gehen von der Annahme aus: Kommunikation zwischen zwei Menschen kommt nur dann in Gang, wenn grundlegend der Wille zur Verständigung vorhanden ist. Selbst bei großen kulturellen Unterschieden, können Sie sich auch mit Händen und Füßen verständlich machen. Doch bevor Sie sich jemanden widmen oder der Person gar Vertrauen schenken, blicken Sie in sein Gesicht. Und erst dann sind Sie bereit, mehr über die Person zu erfahren.
Das Gesicht - Anlage oder Umwelt?
Widmet man sich der Frage, welche Spuren im Gesicht zu finden sind, dann lassen sich zwei Einflussgrößen benennen: Vererbung oder Umwelteinfluss. Halten Sie einen Moment inne und überlegen Sie, welche von beiden ausschlaggebend für die Gestalt des Gesichts ist.
Die Antwort lautet: beides. Klima, Kultur, Zivilisation, Schönheitsideale, wirtschaftliche Situation, Krankheit und Verletzungen, aber auch Drogen, sind mögliche äußere Einflussfaktoren. Die Häufigkeit und Dauer der Einwirkung dieser Parameter auf das Gesicht ist von großer Bedeutung für seine Semantik. Die genetischen Informationen bilden dabei den Konstruktionsplan bzw. die physiognomische Gestalt des Gesichts aus. Die Gene sind dafür verantwortlich, dass wir von unseren Eltern bestimmte Eigenschaften erben, z.B. Augenfarbe oder abstehende Ohren, aber auch Krankheiten und Verhaltensweisen können in den Genen festgelegt sein. Daher ist das Gesicht eine Funktion von Anlage und Umwelt.
Aus diesem Zusammenhang lässt sich schlussfolgern: Wenn das Gesicht nicht nur von seiner Anlage, sondern auch von seiner Umwelt abhängig ist, dann lässt sich auf die Umweltfaktoren Einfluss ausüben - und ich meine damit ausdrücklich nicht, dass Sie bei schlechten Anlagen sofort zum Chirurgen gehen sollten. Bis zu einem gewissen Grad kann jedes Individuum üben und prüfen, wie man auf andere wirkt.
Um vorbildlich mit den Mitarbeitern umzugehen und sie richtig "führen" zu können, muss sich der Vorgesetzte auch über die eigene Wirkung auf seine Umwelt Gedanken machen. Zentral sind dabei die Fragen:
- Kenne ich mein eigenes Persönlichkeitsprofil und das meiner Mitarbeiter?
- Wie kann ich mit der physiognomischen Veranlagung des Menschen besser umgehen? Oder genauer: Wie kann ich meinen eigenen Vorurteilen entgegen treten? (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 103)
Um Mitarbeiter richtig führen zu können, muss sich der Vorgesetzte also auch über die eigene Wirkung/Persönlichkeitsstruktur Gedanken machen.
Selbstreflexion als Ausgangspunkt von Führung
Voraussetzung der Persönlichkeitsentwicklung ist die Persönlichkeitsdiagnostik. Die Sprachkompetenz wird über das Alphabet antrainiert. Trotz des täglichen Konsums von Fernsehen, Kino und Internet wird die visuelle Kompetenz erstaunlich wenig gefördert. Wie Menschen Bilder und Gesichter deuten, geht daher oft nicht über das allgemeine Alltagswissen und die Intuition hinaus. Der Rezipient findet jemanden aufgrund seines Gesichts unsympathisch, aber warum das so ist, bleibt ungeklärt. Häufig überträgt man die in einem schlummernden Dispositionen auf andere - und (miss-) braucht den anderen als Projektionsfläche. Kommt Ihnen das bekannt vor? Das Gesicht ist das Vorurteil am Leibe: Schon in den ersten Sekunden fällen wir Urteile über Menschen, ohne sie zu kennen. Wie läuft dieser Prozess im Einzelnen ab?
Unsere Intuition bei der Beurteilung von Gesichtern unterliegt einem allgemeingültigen Prozess:
- Beobachtung und Selektion
- Bewerten
- Verarbeiten
- Speichern
- Mitteilen und
- erneutes Wahrnehmen. (Vgl. Conen 2003, S. 28 ff.)
Solange wir wie ein Tourist aus der Fensterscheibe heraus unsere Umwelt wahrnehmen und beurteilen, werden wir unsere Bilder von Menschen verfestigen statt zu hinterfragen. Innere Bilder, die wir in der Vergangenheit mit Bedeutung aufgeladen haben und die sich mit aktuelleren Erinnerungen anreichern. Bilder erinnern uns an besondere Momente und sind in der Lage, starke emotionale Erinnerungen wachzurufen. So lagern sich die Gesichter bestimmter Personen aus der Vergangenheit in unserem Gedächtnis ab. Je nach zu Grunde liegender Erfahrung (die durchaus über audiovisuelle Medien vermittelt wird) steht man einem Gesicht zustimmend oder ablehnend gegen über. Diese Erfahrungen aus der Vergangenheit haben ihre Wirkung auf die Gegenwart und die Zukunft. Personen meinen eine andere, ihnen fremde Personen zu (er-)kennen, weil das Gesicht Ähnlichkeiten zu Ihrem unbewussten Erinnerungsbild aufruft. Der erste Eindruck, den wir von einem Menschen haben, ist keineswegs wertfrei. Dabei handelt es sich um ein menschlich nachvollziehbares Vorurteil, dass uns hilft, uns durch die Kontingenz des Alltags zu leiten. Diese Orientierungsfunktion verschafft Sicherheit. Bei der Auswahl von Personal spielt das richtige Bewerbungsfoto eine wichtige Funktion. Es beinhaltet die Orientierung über den möglichen Charakter des Bewerbers.
Erschwert wird die Interpretation des Gesichts und seiner Mimik und Gesten durch seine Kulturabhängigkeit . Was heute Gültigkeit hat und allgemein verständlich ist, kann in einem anderen Kulturraum anders und möglicherweise falsch interpretiert werden. Beispielsweise unterscheidet das interkulturelle Management in einer ganz groben pauschalen Annäherung an die Komplexität der Sprache zwei Kommunikationsstile, den Kommunikationsstil Nord und Süd. Anders herum muss man die kulturelle Herkunft einer Person berücksichtigen, den Ort, die Zeit und die Situation mit einbeziehen, um gesicherte Aussagen über die Bedeutung des Gesichtes zu treffen. Man kann also das tägliche Leben mit all seinen Facetten nicht einfach reduzieren.
Aber wie kommen wir aus der Vorurteilsschleife heraus, die bestehende Bilder und Erfahrungen bloß bestätigt und die uns davon abhält, erfolgreich auf neue Mitarbeiter, Freunde und neue Geschäftspartner vorurteilsfrei zuzugehen? Strahlen wir Überzeugung und Charisma aus und können andere begeistern und führen? Wie betreiben wir im Sinne der Markenführung "Living the Brand" für die interne und externe Kommunikation? All das führt zu der Frage nach den Einflüssen, die auf die Anlagen des Gesichts einwirken. Sie führt zu der Frage:
Zeigt unser Gesicht unsere Persönlichkeit?
Eine der wesentlichen Aspekte, die Näher an die Vorstellung von Persönlichkeit, Charakter und Ich führen, ist der Begriff der Authentizität: Wer bin ich? Und: Wann bin ich selbst bei mir? Eine kurze Antwort auf dies sehr komplexe Frage lautet: Ich bin vor allem dann bei mir, wenn ich von einer Sache zutiefst überzeugt bin, wenn ich darin aufgehe, was ich mache, dann so die These, bin ich zufrieden und ausgeglichen, was sich folglich auf Haltung und Ausdrucksweise auswirkt. Dennoch lässt das Menschliche auf diese Frage viele Antworten zu, d.h. es entzieht sich einer Objektivierung: Jeder hat eine andere, subjektive Antwort darauf. Was beobachtbar bleibt, ist das stete und unstillbare Verlangen nach authentischen Personen, nach authentischen Gesichtern. Es scheint, als könne der Bedarf niemals wirklich gedeckt werden.
Doch im Zeitalter der Mediengesellschaft, der Beschleunigung von Raum und Zeit, der vielfältigen Ansprüche, die das Privatleben und das Berufsleben an den Arbeitnehmer stellen, verliert das Individuum sehr schnell den Blick für die Ziele. Selbstverwirklichung gilt in der westlichen Kultur als das höchstes Ziel in der Bedürfnispyramide. Selbstverwirklichung ist nicht nur das Ziel einer durch Sozialisation geprägten bürgerlichen Mittelschicht, es beinhaltet in anderen Kulturen oftmals nur die Sicherung des täglichen Überlebens. Deswegen ist Selbstverwirklichung in westlichen Gesellschaften noch lange kein Luxus, aber das konkrete Ziel vieler im Arbeitsleben. Authentizität, das Gefühl bei sich zu sein und nicht fremdgesteuert zu werden sind wesentliche Merkmale von Selbstverwirklichung.
Aber Selbstverwirklichung - wie macht man das? Eine Frage, und oft eine schwierige Antwort, die daran anschließt: Was sind die Dinge, die mich glücklich machen"?
Aus Platzgründen möchte ich eine Methode vorstellen, die verblüffend einfach erscheint. Schauen Sie auf sich selbst: führen Sie ein Tagebuch. Schreiben Sie morgens auf, wie ihr Tag aussehen soll, was sie als positiv und negativ erfahren haben, welche Hindernisse sich Ihnen in den Weg stellen, was sie sich vornehmen und erreichen wollen. Ohne dieses hochspannende Thema weiter auszuführen (auch dafür wäre ein gesonderter Blog-Beitrag nötig) bleibt festzuhalten: das Führen eines Tagebuches wird Ihnen helfen, ihr Bewusstsein zu schärfen. Sie werden sich über Ihre Ziele im Klaren sein. Sie brauchen dazu zehn Minuten täglich, in denen Sie über Ihr Leben nachdenken. Versuchen Sie alles, was Ihnen in den Sinn kommt, aufzuschreiben, auch vermeintlich Unwichtiges. Schreiben Sie es heraus! Erst wenn Sie wissen, was sie wollen, können Sie auch Strategien entwickeln, die darauf aufbauen. Wenn Sie innerlich aufräumen und zur Balance finden, werden Sie auch Äußerlich wirken. Die Psyche wird mit dem Erscheinungsbild in Einklang sein, Ihr Gesicht strahlt von innen.
Und noch etwas: Überzeugend sind Sie, wenn Sie ein Theater spielen, das ihnen Erfüllung und Freude bereitet. Indem Sie gerne in eine Rolle schlüpfen, weil Sie anderen etwas vermitteln wollen. Setzen Sie das Gesicht auf, das von Ihnen erwartet wird. Rasieren Sie sich, wenn es nötig ist, ziehen Sie eine Brille auf oder schminken Sie sich. Und machen Sie es gerne!
Wie die Dekoration einer Bühne dem Schauspiel zum Ausdruck verhilft, so verhält es sich mit der Fläche des Gesichts. Gesichtstheater funktioniert ebenfalls nur, wenn es perfekt gespielt wird. Gesichtstheater steht keineswegs im Widerspruch zu Authentizität. Ein Mensch, der sein ganzes Leben den Naturkräften ausgesetzt ist, arrangiert sich mit diesen Gegebenheiten und Herausforderung seiner Existenz. Das wiederum hat mit dem Dasein eines Büromenschen in der Stadt wenig zu tun. Die permanente Veränderung von Raum und Zeit unter dem Primat der Mobilität fordert ein, sich rasch zu verändern. Der angepasste Stadtmensch hat nicht ein Gesicht, sondern viele. Er kann sich ökonomisch gar nicht mehr erlauben, nur noch mit einem Gesicht durch die Welt zu gehen. Zurück bleibt die allein die Frage, wie gut das Individuum sich anpasst und in seinen Rollen aufgeht. Ist der Ausdruck der jeweiligen sozialen Situation angemessen, oder kostet die Maskerade viel Aufwand, bis sie überzeugend sitzt?
Bevor Sie jemanden Fremdes um einen Gefallen bitten, schauen Sie in sein Gesicht. Noch bevor Sie zum Vorstellungsgespräch geladen werden, weckt Ihr Bewerbungsfoto Erwartungen. Schon die bloße Erscheinung des Gesichts ist Kommunikation.
Paul Watzlawick nennt das "Man kann nicht nicht kommunizieren". Man fragt sich aber auch, was spiegelt sich in den Gesichtern der Anwesenden wieder? Wenn der Körper spricht, selbst wenn wir stumm sind, zeigt er dann unser Inneres, unser Unbewusstes, unsere Persönlichkeit? Ist also unser Gesicht, wenn wir nicht sprechen, der Fingerzeig auf unser wahres Ich? Damit will ich nicht sagen, dass man jedem Menschen vor den Kopf schauen kann. In Ihrer Firma erfahren Sie auch erst nach einigen Wochen, ob Ihre Einschätzung richtig war, die Person ihrer Wahl einzustellen. Sozial angemessen zu reagieren, d.h. auch ein Gesicht aufzusetzen, lernen Menschen im Alter von fünf Jahren. Unter diesen komplexen Voraussetzungen erscheint die Deutung des menschlichen Gesichts schwieriger denn je. Der folgende Strategieplan, der vom Unternehmenscoach Horst Conen entwickelt wurden, ist ein erster Ansatz, um die Menschenkenntnis zu verbessern:
Strategieplan:
- Seien Sie vorsichtig mit jeder vorschnellen Einordnung eines Menschen.
- Sehen Sie die Einschätzung einer Person, die Sie zum ersten Mal sehen, als Spielmöglichkeit. Als vorläufiges Urteil, ohne dass Sie einen Menschen gar nicht als Menschen annehmen können. Verzichten Sie aber auf Pauschalisierungen und Typisierungen.
- Ungewohnte Situationen mit unterschiedlichen Menschen sind die ideale Voraussetzung, um mehr über Menschen zu erfahren.
- Übernehmen Sie nicht kritiklos Bewertungskriterien von anderen, auch nicht von Medien. prüfen, testen, berichtigen Sie diese.
- Unterscheiden Sie äußeres Erscheinungsbild und Charakter.
- Versuchen Sie biographische Informationen über Ihr Gegenüber zu erhalten.
- Haben Sie keine Angst, immer wieder neu hinzuzulernen! Die Beurteilung von Menschen ist keine leichte Aufgabe. (Vgl. Conen 2003, S. 53)
Der Versuch, die nonverbale Ausdrucksweise des Menschen zu erfassen und zu deuten, hat eine historisch weit zurück reichende Tradition. Oft wiederholen sich diese Deutungen in unzähligen Ratgeberbüchern, die uns erklären, wie Physiognomik des Menschen zu lesen sei. Auch ohne diese Anleitungen treffen viele Menschen instinktiv die richtige Entscheidung bei der Einschätzung eines Menschen: Sie haben Menschenkenntnis. Natürlich gibt es Richtlinien und Konventionen, die Sie in jedem Rhetorik Seminar lernen können. Wenn Sie mal einige besucht haben, dann werden Sie feststellen, dass es dabei hauptsächlich auf die regelmäßige Übung ankommt. Für das Gesicht ist die Einübung einer Dramaturgie schwieriger. Jeder Einübung sperrt sich die Physiognomik entgegen. Individualität, das bedeutet eine einmalige Physiognomik können Sie nicht ohne weiteres abstreifen, ihr Gesicht ist ein ständiger Begleiter, einen Schatten ihres Ausdrucks, den Sie nicht ohne weiteres abstreifen können. Doch können Sie einiges tun, damit sie als vorteilhaft wahrgenommen werden. Und dies gilt insbesondere für Führungskräfte. Sie sollten sich folgende Fragen stellen:
A:- Wie bin ich?
B: - Wie verhalte ich mich?
C:- Wie wirke ich? (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 103)
Ich konzentriere mich auf den letzten Aspekt, gleichwohl lässt sich die Frage nach der Wirkung nicht isoliert betrachten, insofern sind die ersten beiden Punkte bedeutsam.
A) Zur Frage: Wie bin ich?
hat sich in der Praxis folgendes bewährt:
1. Die Selbstanalyse
Die Selbstanalyse ist ein erster Schritt, bei dem eine Person dazu angeregt wird, sich anhand vorgegebener Eigenschaftsdimensionen zunächst selbst einzuschätzen. Wie sehe ich mich selbst, wenn ich in den Spiegel schaue? Viele Teilnehmer erkennen im Laufe dieser Frage, dass sie die eigene Beschreibung vor Problemen stellt. Wie kann man über sich selbst objektiv sprechen? Hier kann man deutlich machen, dass eine Fremdanalyse erfolgen kann.
2. Die Fremdanalyse
Die Fremdanalyse sollte von einer dem Teilnehmer nahestehenden privaten oder betrieblichen Person durchgeführt werden. Meist bevorzugen die Teilnehmer einen privaten Partner, weil sie sich scheuen von einem Mitarbeiter oder Kollegen beurteilt zu werden. Anders ist das in Seminaren, hier ist der Seminarleiter gefordert. Meistens entsteht dann bei der Absprache über die drei Ergebnisse (Selbst-, Fremd- und Testanalyse) in der Gruppe eine rege Diskussion.
3. Die Testanalyse
Die Testanalyse als dritter Schritt: Dabei bearbeitet jeder Teilnehmer die für ihn vorgesehenen Testergebnisse. Jede Testperson sollte sich folgende Fragen stellen:
3.1 Kann ich das Ergebnis selbst akzeptieren, finde ich mich in dieser Testaussage wieder? Wenn ja, folgt die nächste Frage.
3.2 Stand das zugewiesene Merkmal meine Gesichts mir in der Vergangenheit im Wege oder hat es zu meinem Erfolg beigetragen?
3.3. Wenn das Merkmal mir im Wege stand, oder gar geschadet hat, sollte ich versuchen es anzugehen oder gar abzubauen.
3. 4 Trug es zu meinem Erfolg bei, sollte ich versuchen, dieses positive Merkmale auszubauen?
Beim Analyseverfahren geht es darum: 1. Persönlichkeit erfassen und 2. Viele unterschiedlichen Eigenschaften eines engeren Persönlichkeitsbereichs zu messen. Als methodisches Instrument dient dabei das Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI), das wiederum mehrere Persönlichkeitsskalen bereit hält. (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 106 ff.)
B) Wie verhalte ich mich?
Die Teilnehmer müssen vor der Anmeldung ein Bewerbungs- oder Passfoto aushändigen, das dann ohne Zusatzinformationen unter den Teilnehmern getauscht wird. Bis jeder Teilnehmer ein Foto eines unbekannten Teilnehmers hat und es analysiert. Daraufhin sollte jeder Teilnehmer auf etwa einer halben Seite notieren, wie er die Person auf dem Foto einschätzt: Hinsichtlich seiner Leistungsorientierung, Sozialen Orientierung, Glaubwürdigkeit, Ästhetik usw.
Zu Beginn des Seminars werden die zufällig entstanden Pärchen in der Realität zusammengeführt und unterhalten sich rund zehn Minuten miteinander über einen Aspekt in ihrem Leben, der nichts mit dem Berufsleben zu tun hat. Es geht dabei um den unmittelbaren Eindruck, den man von einer lebendigen Person erhält, und der das fotographierte Bild, die Persönlichkeit in einem anderen Licht erscheinen lässt.
In Rahmen der Gesichtsanalyse und Beschreibung können Videoaufzeichnungen sehr bedeutende Beiträge leisten.
Im Rahme eines Kurzreferates, das mit Video aufgezeichnet wird, lässt sich nun folgende Details analysieren:
C) Wie wirke ich?
- Blick und Gesicht: aufmerksam, einnehmend, fokussierend, natürlich.
- Der Gang eines Menschen: schnell, energisch, stolpernd, schwer...
- Die Körperbewegungen: natürlich, beweglich, ausgreifend, angemessen, plump
- Die Mimik: klar, offen, streng, herrisch
- Die Sprechweise: klar, bestimmend, versöhnlich, weich, monoton, schreiend, verletzend.
- Die Art des Redens: vernünftig, zurückhaltend, ängstlich, wortkarg, redselig.
- Die Umgangsformen: Herzlich, gewandt, diplomatisch, rau , unbeholfen, ungeschliffen. (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 114)
Bei der Verhaltensanalyse können behindernde Verhaltensweisen abgebaut werden, wie z.B. ein verschlossenes Gesicht, dass nicht den Blick und damit den Kontakt mit dem Publikum sucht. Auch die Frage wie die Artikulation der Kommunikation über die Hände geschieht, kann für den Ausdruck des Gesichtes entscheidend sein; nicht zuletzt im Hinblick auf die Gestik eines Menschen. Wenn ein Seminarteilnehmer sich selbst beobachtet, bemerkt er oft die Notwendigkeit von Verhaltensveränderungen. (Vgl. Crisand/Rahn 2010, S. 115)
Zum Abschluss noch etwas zum Zusammenhang von Mensch und Marke:
Wenn Sie eine professionelle Marke aufbauen und führen wollen, d.h. wie ein Politiker oder Filmstar, dann sollten Sie es anders machen als Carl Böhm. Dieser wurde berühmt durch seine Erfolge als Kaiser Franzl in der Sissi-Triologie. Ein Image, das als gutbürgerliche Projektionsfläche für den bis heute unersättlichen Bedarf des Publikums nach charismatischen Autoritäten taugt. Demgegenüber musste die Rolle, die Carl Böhm als psychopathen Frauenkiller in Peeping Tom (1960) zeigt, Verstörung und Ablehnung beim Betrachter hinterlassen. Die Konsequenz: Carl Böhm bekam nach seinem Auftritt als Serienkiller für Jahre keine Rolle mehr. Seine Fans wendeten sich von ihm ab. Daran sieht man: Gesicht des etablierten Schauspielers fungiert auch als Versprechen und Erwartung. Mit den unerfüllten Erwartungen seiner Fans zerstörte Böhm seine Marke und seine Karriere. Peeping Tom gilt übrigens mittlerweile längst als Kultfilm.
Literaturverzeichnis:
Crisand, Ekkehard; Rahn, Horst Joachim 2010: Psychologie der Persönlichkeit. Arbeitshefte Führungspsychologie, Band I, 9. Auflage. Hamburg: Windmühle Verlag GmbH.
Conen, Horst 2003: Die Kunst mit Menschen umzugehen. München: Knaur.