Ohne Arme keine Kekse! – Wertewandel (r)evolutioniert Unternehmenskultur und Markenführung.

12.01.2015

OHNE ARME, KEINE KEKSE - Keine Frage von Materie und Antimaterie!

Die rasante Entwicklung der digitalen und sozialen Medien erfordert ein massives Umdenken in den Unternehmen, denn diese Kanäle ticken einfach anders – es geht um Wahrnehmung, Beziehungspflege und langfristige Kundenentwicklung. Wir haben es hier mit einem neuen System zu tun, das Jeremy Rifkin in seinem Buch „Die Null Grenzkosten-Gesellschaft“, das Aufstreben der kollaborativen Commons nennt. Damit driften wir auf ein Wirtschaftsmodell zu, dass bisher als ökonomisches System unweigerlich an die Feudalgesellschaft gebunden war, besser bekannt unter den Begriffen „Sharing Economy“ oder Teil- und Tauschwirtschaft. Dieses Wirtschaftsmodell revolutioniert unser Menschenbild, unsere Weltsicht und unsere Bedürfnisstruktur – als Kunde, als Bürger, aber auch als Chef und Mitarbeiter.

Übersetzt auf die heutige Unternehmenslandschaft heißt das, um erfolgreiche, sinnvolle und kreative Markenstrategien zu entwickeln, brauchen wir das nötige Rüstzeug im „Back-Office“. Wir brauchen visionäre, neue Unternehmenskonzepte, gute durchdachte und auf das Unternehmen und den Unternehmenszweck ausgerichtete Strategien und den Mut, Neues auszuprobieren. Wir brauchen keine Kanaldenke, keinen Tunnelblick, sondern 360 Grad Strategien für 360 Grad Kampagnen. Wir brauchen keine Manager, die nur operativ denken, das Pferd von hinten aufzäumen und angesichts der rasanten Entwicklungen im digitalen Bereich in blinden Aktionismus verfallen unter der Prämisse „Wir müssen da auch was machen“. Dadurch hangeln wir uns von Maßnahme zu Maßnahme, trimmen offline auf online, unterschätzen Ressourceneinsatz und Abstimmungskreisläufe und schädigen unsere Unternehmen oder unsere Marke oft mehr, als sie aufzuwerten.

Wir brauchen Manager, die zur Überwindung der Generationenkluft zwischen den Generationen X, Y und Z beitragen, indem sie die unterschiedlichen Kompetenzen effizient bündeln. Wir brauchen Manager, die Wissen und Verständnis für den Wertewandel unserer heutigen und zukünftigen Welt aufbringen, dessen Konsequenzen im Hinblick auf die Unternehmenskultur erkennen und in gänzlich neue Konzepte überführen. Es geht also nicht um den fragmentarischen Blick auf Budgets, Ressourcen oder Medien, es geht um ein grundsätzliches Verständnis von gesellschaftlichen Veränderungen im veränderten Wertekanon!

CHANGE. Wertewandel – von egozentrisch zu systemisch!

Miteinander statt Wettbewerb, aktiv statt passiv, ein Erstarken von Verantwortung und Gemeinsinn, visionär, sinnvoll, global vernetzt - unser wirtschaftliches Ökosystem verändert sich. Die Egozentik eines Jordan Belfort, besser bekannt als „Wolf of Wall Street“ ist tot, die Leichen der Gier eines Gordon Gecco durchschaut. Heldenverehrung und Götzenbild „blankpolierte Marke“ will keiner mehr sehen – zu langweilig, zu unecht, zu statusbezogen und zu hochstilisiert. Die Zeiten zentralistischer Strukturen sind längst vorbei. Wir driften heute von hierarchisch, zentral und undurchlässig zu offen, flexibel und durchlässig. Die Generationen Y und Z sind weit weniger materialistisch und vom Konsumismus als „Way of life“ nicht überzeugt. Sie suchen gute Geschichten statt polierte Phrasen, Sinn und Nachhaltigkeit als echtes Statement. Sie gehen wieder auf Spurensuche nach dem Echten, Unverfälschten und schätzen Werte wie Vertrauen und Authentizität.

Marketing in Echtzeit über die Verknüpfung von Big Data zu individuell, auf den einzelnen User zugeschnittenen Bedürfnispaketen ist heute nicht nur möglich, sondern wird die Märkte von morgen maßgeblich bestimmen. Und das löst geradezu kleine Revolutionen aus, die uns in Unternehmen und Institutionen zum Umdenken nötigen und gänzlich neue Unternehmensstrukturen und Strategien erfordern. Unternehmen müssen lernen, dass sich unser „Umgebungsbewusstsein“ stark erweitert hat, vom first-screen zum second-screen zum multi-screen - von analog zu digital zu multimedial. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, sind heute „always on“.

Netzwerken gehört real wie digital zum Alltag, denn da wo Familien wegbrechen sucht man neue Ties, Verbindungen, die uns tragen, Anerkennung und Mut zusprechen. Wenn Unternehmen heute also gute Beziehungen zu ihren Kunden und potenziellen Interessenten aufbauen wollen, müssen sie lernen systemisch zu denken und authentische Markenbotschafter aufzubauen, die sich mit dem Unternehmen identifizieren und glaubwürdig ihre Marke vertreten. Das setzt wiederum voraus, dass die Unternehmenskultur von Offenheit und Vertrauen geprägt ist, Werte gelebt werden und die Unternehmensvision von den Mitarbeitern mitgetragen wird. Dieser Spirit muss intern aufgebaut werden, jenseits von Regeln und Guidelines. Das ist Sache des Managements - Ohne Arme eben keine Kekse!

Da verändert sich also Vieles, was unsere Unternehmenslandschaft strukturell, inhaltlich und personell revolutionieren wird. Diese Revolution drückt sich vornehmlich durch ein neues, verändertes gesellschaftliches Mindset, also Wertekonstrukt aus. Um die notwendigen Konsequenzen für die Unternehmen richtig einzuordnen, ist es zunächst wichtig, sich dieser Werteveränderungen, dieser Neudefinition bekannter Werte, bewusst zu werden. Schauen wir uns einmal die sechs momentan wichtigsten Werte an, die durch die Zukunftsforscher Rifkin, Wippermann und Horx belegt, momentan unser Denken und Handeln bestimmen und überprüfen wir die Veränderungen zunächst im gesellschaftlichen Kontext. Also was ändert sich und wie werden zukünftig Werte wie Erfolg, Freiheit, Gemeinschaft, Gerechtigkeit, Gesundheit und Natur definiert?

Erfolg: Erfolg hieß in den 80gern, 90gern und noch bis Mitte 2000: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Profit und Status waren die Götzen, denen man huldigte. Geschafft hatte es, wer viel besaß, denn Besitz und die Verwaltung dessen war das Lebensziel und die damit einhergehende Macht, wichtige Maxime um mitzuspielen und die eigenen Gesetze aufzustellen. Die Konsequenzen waren allerdings meist wenig Privatleben, kaum Hobbies und die Vernachlässigung sozialer Kontakte - also eigentlich weniger Lebensqualität. Glücksforscher sagen, das unsere Wahrnehmung vom Glück wie eine Glockenkurve steigt, bis zu dem Zeitpunkt, wo ein gewisses Einkommensniveau, dass uns Sicherheit und fundamentale Annehmlichkeiten beschert, erreicht ist. Danach nimmt unsere Wahrnehmung vom Glück aber stetig ab, was bedeutet, dass jeder weitere Zuwachs von Wohlstand uns nicht glücklicher macht. Nun, die Ära des unbegrenzten Wachstums ist vorbei, „genug“ ersetzt heute „mehr“. Lebensziele und Entwürfe verändern sich, vom egozentrischen Erfolg zum systemischen Erfolg.

Gesellschaftlich anerkannt ist nicht mehr die Maximierung ökonomischen Gewinns, sondern die Umsetzung von Lebenszielen im ökologischen, ethischen oder sozialen Bereich. Erfolg wird also neu definiert nach dem Motto „Was gut für die Welt ist, ist auch gut für mich“. Mit dem Ziel, die Welt zu verändern, wollen wir gleichzeitig auch uns selbst entfalten und kreativ, sinnstiftend und bodenständig agieren. Für diese Ziele suchen und finden wir Gleichgesinnte, die als Sparringspartner und Coach fungieren und so erreichen wir gemeinsam die gesteckten Ziele. Erfolgreich ist heute, wer seine Netzwerke klug aufbaut, kreativ steuert und kontinuierlich pflegt.

Freiheit: Freiheit bedeutete lange mobil und unabhängig zu sein. Das ging nur mit dem eigenen Auto, indem man sich ganz individuell ausdrückte und einrichtete. Vom Kofferraum mit Sportequipment über Getränke und Picknickkorb im Fahrerbereich, Parkscheibe, Eiskratzer, Bücher, CD`s und was man sonst so alles brauchte. Das Auto als mobiles Eigenheim, jederzeit verfügbar! Als Ausdruck von Lifestyle und Status definierte es unser Selbst, egozentrisch! Freiheit heißt heute Sharing. Das Auto dient als gute Metapher für eine gänzlich andere Haltung zu Besitz. Heute definiert sich Freiheit, zumindest im urbanen Raum, als die Möglichkeit schnell, kostengünstig und effizient von A nach B zu kommen. Hohe Benzinkosten und Parkplatznot führen aber dazu, dass das eigene Auto eher eine Beschneidung dieser Freiheit bedeutet. Warum also nicht Drive Now oder Car2Go nutzen und nur dann zahlen, wenn man das Auto wirklich braucht. Individuelle Freiheit speist sich heute aus systemischer Vernetzung und klugem Selbst-Management.

Gemeinschaft: Vorbei die Zeiten von Mutter, Vater, Kind, lebenslangen Ehen (mal gut, mal weniger gut) und oftmals nahen, regionalen, räumlichen Verbindungen. Durch die Globalisierung hat eine Art Entfremdung stattgefunden - Entfremdung von der Familie, vom Stamm. Die Konsequenz - Verlust von Nähe, Halt, Geborgenheit. Durch die Konzentration auf Karriere und Weiterkommen blieben familiäre Werte und echte Beziehungen manchmal auf der Strecke. Einmal entlarvt, ist dieses Modell nicht mehr erstrebenswert. Egozentrisch hat also ausgedient und was kommt jetzt? Gemeinschaft zeigt sich heute virtuell aber nah, oft auf 5 Screens gleichzeitig, was für die Generation Z kein Problem darstellt. Auch wenn wir allein vor dem Fernseher sitzen - wenn wir online sind, sind wir niemals allein. Wir diskutieren über TV-Formate auf facebook, parallel zum Geschehen, sortieren systemisch Freunde und Bekannte - inhaltlich, nach Interessens-, Werte-, oder Stilübereinstimmungen. Innerhalb unserer virtuellen Zirkel können wir gemeinsam lachen, weinen, witzeln, diskutieren oder uns darstellen. Das Internet ersetzt so familiäre Strukturen und gibt uns Halt, Orientierung und Unterstützung. Es erweitert unsere Realität und schenkt uns mehr Spielraum, für unsere eigene Lebenswelt. Das Netz fungiert heute als virtueller Hort von Wärme, Anerkennung und Geborgenheit.

Gerechtigkeit: Justizia als Symbol für Gerechtigkeit vor dem Gesetz und und im wirtschaftlichem Miteinander hat bisher mehr oder weniger dafür gesorgt, das gesellschaftliche Regeln nicht verletzt wurden. Vor dem Hintergrund der Skandale an allen Fronten – Steuerbetrug, Markenpiraterie, Verletzung von Lebensmittelvorschriften, Menschenrechten etc. hat Justizia heute aber für Viele ihre Macht verloren. Wenn Gesetze so durchlässig sind, dass sie die Schuldigen immer wieder davon kommen lassen, muss es eine 5. Gewalt geben. Neben Legislative, Exekutive und Judikative hat die 4. Gewalt, die Publikative über die Presse bisher viele Skandale aufgedeckt, aber nun kündigt sich die 5. Gewalt im Staat an. Das ist nicht der Lobbyismus, wie die Zeit titelte, sondern der Verbraucher und sein eigenes System im Netz. Der Film "Inside Wikileaks" hat eindrucksvoll dargestellt, welche Macht Hacker und IT Aktivisten haben können. Aber die jüngste Vergangenheit zeigte auch immer wieder, wie schnell Intransparenz und Fehlverhalten im Netz mit einem Shitstorm geahndet wurden. Wir wollen nicht mehr darauf warten, dass Andere tätig werden, sondern selber aktiv werden, also unsere Ohnmacht in Macht verwandeln. Das Netz wird heute zum Mittel der Wiederherstellung des Gleichgewichts, zum Ausgleich des wirtschaftlichen Öko-Systems.

Gesundheit: Basierend auf der Lehre von Darwin, führte uns die natürliche Evolution und der technologische Fortschritt der letzten Jahre, vom Homo Sapiens zum Homo Superior. Es ging um die Optimierung unserer persönlichen geistigen Leistung und unserer physischen Erscheinung. Die Maxime - möglichst lange jung, vital, flexibel sein, das Leben genießen, den Ruhestand auch! Gesund war, wer sommerfrisch, aktiv und beweglich war. „Frisch“ war der Schlüsselbegriff und das Bewusstsein für gute, gesunde Ernährung stark. Ob Bio oder Supermarkt, die Ware musste „attraktiv“ aussehen und zu unserem Wohlbefinden, zu unserer persönlichen, individuellen Optimierung, beitragen - also egozentrisch! Um den Anforderungen heute gerecht zu werden, reicht „frisch“ nicht mehr aus.

Aus der attraktiven „Frische“ entsteht heute ein vernetztes Gesundheitssystem mit Kur-Charakter. Wir setzen alles auf RESET, therapieren uns selbst oder besser mit Hilfe des Systems von Peers aller Art auf Plattformen, die uns helfen uns besser zu fühlen oder ärztliche Diagnosen zu prüfen. Entgiftung, grüne Smoothies, Gewichtsreduktion, sportliche Fitness nach Typ sortiert. Wir bewegen uns hin zu einer askestischen Gesellschaft, die sehr dizipliniert die eigene Gesundheit selbst managt. Das Fuel Band von Nike macht vor, wohin die Reise geht. Sensoren erheben unsere physischen Daten und steuern unser Verhalten in Bezug auf Bewegung, Ernährung, aber auch Reisen, Kaufen, Lieben. Unternehmen helfen uns also dabei, auf unsere Bedürfnisse und Wünsche zugeschnittene Informationen zu filtern und damit der überbordenden Informationsflut Herr zu werden. Wir disziplinieren uns, um lange zu leben, allen Herausforderungen der 2. 3 oder 4. Karriere gerecht zu werden. Gesundheit wird heute zum lebenslangen, vernetzten Projekt.

Natur: Der Trend zur Natur war nicht zu übersehen. Mit der Sehnsucht der Menschen nach Erdung und Ursprünglichkeit begründeten die Herausgeber der Zeitschrift Landlust 2005 ihren Überraschungserfolg. Auf Hochglanzpapier brilliant in Szene gesetzte Fotos von Bauerngärten, Rezepte aus der Landküche und Anleitungen für die Restauration von Bauernmöbeln, vermittelten ein Lebensgefühl, das in unserer industriell-urban geprägten Gesellschaft offensichtlich verloren gegangen war. Städter sehnten sich nach dem ursprünglichen Leben, nach den guten alten Dingen wie selbst gebackenem Kuchen und Gemüse aus eigenem Anbau. Die Welt-Online sagte 2011: „Noch nie gab es so viele Zeitschriften zum Thema Land und Garten“. Der grüne Markt boomte, Bioläden sprossen aus dem Boden, denn Produkte verkauften sich irgendwie besser wenn ökologisch, biologisch, klimafreundlich oder nachhaltig draufstand. Dabei ging es eigentlich um Entschleunigung, Hingabe, Zuwendung und Aufladung der eigenen Batterien. Es ging also um primär egozentrische Motive, die mehr der Selbstverwirklichung dienten, als dem Allgemeinwohl.

Heute denken wir über die eigene Seele hinaus. Es geht uns um Nutzungsbiografien und Wertstoffmanagement und Ressourcenschonung, am besten „cradle to crawle“. Das ist keine Einzelleistung, sondern ein Gemeinschaftsprojekt. Prominentes Beispiel dafür ist „Original Unverpackt“, der erste Supermarkt in Berlin Kreuzberg, der auf Einwegverpackungen verzichtet. Der Kunde füllt seine Produkte selbst ab, in wieder verwertbare Behälter. Dabei gibt es Bio und andere Lebensmittel im Sortiment. Ein neuer, systemischer Ansatz.


Abb.1: Original Unverpackt – startnext.de

WE ARE FAMILY. Vom “Business as usual” zum “Business unusual”!

Was heißt das nun für Unternehmen? Wie müssen sich Unternehmen verändern, um sich diesen neuen Rahmenbedingungen anzupassen? Unternehmen müssen sich neu definieren, nicht als Paralleluniversum zu Familie und Freizeit, sondern als Ort an dem man gerne sein möchte, sich entfalten kann und wohlfühlt. Die Zukunft der Unternehmensführung und Markenführung liegt im Verständnis für die „systemische“, gemeinschaftliche Auffassung von Business. Dann verstehen wir unsere Lieferanten, Mitarbeiter, Kunden nicht mehr als Stakeholder, sondern als Verbündete. Alles also eine Frage der Unternehmenskultur!

Auf dem Weg von egozentrisch und Business as usual zu systemisch und Business unusual haben wir in unseren Studien und Forschungen folgende Prämissen gefunden, die ausschlaggebend zur Erreichung von Zufriedenheit, Loyalität und Bindung von Mitarbeitern sind. Aufmerksamkeit und Wertschätzung schaffen Zufriedenheit, Sinn und eine gemeinsame Mission Loyalität und geteilte Visionen und fairer Umgang miteinander, Bindung.

Verknüpfen wir diese sechs Prämissen mit den zuvor diskutierten Wertedefinitionen, ergeben sich für die Unternehmenskultur folgende Ableitungen:


Abb.2: eigene Darstellung

1. Aufmerksamkeit/Gesundheit: Schenken Sie Ihren Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten Aufmerksamkeit. Helfen sie dabei, arbeiten und leben in Einklang bringen. Machen Sie es ihren Mitarbeitern einfach, sich gesund zu ernähren und so Körper, Geist und Seele fit zu halten. Unterstützen Sie Programme zur Bewegung und nehmen Sie das Thema Gesundheitsmanagement im Unternehmen ernst. Denken Sie daran, sie leben die Unternehmenskultur vor, die sie erzeugen wollen. Aufmerksamkeit zeigt sich natürlich nicht nur in der Auswahl des Kantinenessens und im ausgelassenen Feiern des nächsten rauschenden Firmenfestes. Aufmerksamkeit zeigt sich in der Zeit für Gespräche, dem Verständnis für die Andersartigkeit ohne Bewertung, dem Kennenlernen der Persönlichkeit hinter der Businessfassade. Nähe aufbauen, persönlich sein, echtes Interesse zeigen, aktiv zuhören, das schafft Zufriedenheit bei den Mitarbeitern und baut Markenbotschafter auf, die in den sozialen Medien auch Ihre Werte mit Begeisterung vertreten können.

2. Wertschätzung/Freiheit: Der Drang nach Freiheit im Sinne von Unabhängigkeit, flexibler Zeiteinteilung und dem Vertrauen in die selbstverantwortliche Haltung des Einzelnen ist Voraussetzung für das systemische Denken der Zukunft. Mobil, out of office, kein Büroalltag am Schreibtisch, sondern Verschmelzung von Freizeit und Arbeit. Die Entkoppelung von Raum und Zeit in der globalen Vernetzung führt zu neuen, offenen Arbeitsstrukturen. Virtuelle Teams sind nicht nur bei Konzernen, sondern auch im Mittelstand standard geworden und diese neuen Kollaborationsmodelle funktionieren nach anderen Regeln. Da wo man sich nicht täglich sieht und der „small talk an der Kaffemaschine“ ausbleibt, werden Werte wie Vertrauen, Identifikation und Verlässlichkeit zu Schlüsselattributen. Wertschätzung von Zeit als Lebenszeit, Engagement, Motivation und Leistung in Verbindung mit den o.a. Schlüsselattributen wird Personalentwicklung und Mitarbeiterführung in Unternehmen verändern müssen.

3. Sinn/Erfolg: Erfolg heißt heute Verwirklichung individueller Lebensziele, die unserem Dasein Sinn und Zweck verleihen und möglichst im Einklang mit dem Wohl der Gemeinschaft stehen. Cause Related Marketing ist tot, CSR als blasse Attitüde ist tot, Greenwashing wird abgestraft – nur echte Überzeugung zählt. Beispielhaft möchte ich Ihnen einige Projekte vorstellen, die Sinn vor dem Hintergrund der Re-Use Szene zum Unternehmenszweck erkoren haben. Alle findet man im TrenntMagazin der Berliner Stadtreinigungsbetriebe, einem Unternehmen mit dem ich schon seit einigen Jahren erfolgreich zusammenarbeite. In „Peter’s Werkstatt“ in Kreuzberg hat etwas überlebt, das selten geworden ist, das Reparaturhandwerk. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker Peter Dorscheid setzt Technik aus vergangenen Tagen wieder in Stand.


Abb.3 Trenntmagazin.de (BSR Berlin)

berlin-re-cycling ist ein Projekt, das perfekt zu Berlin passt. Die Idee, aus alten Fahrrädern trendige Designlampen zu kreieren, ist der Beginn einer Lichterkette, mit dem Ziel, Berlin zum Leuchten zu bringen. Für das Budapester Schuhlabel Pleasemachine dreht sich alles um Lomtalanítás. Das ist ungarisch und bedeutet Sperrmüll. In ihm fahnden Anna Zaboeva und ihr Team nach Stoff- und Lederresten, die sie in ihrer Werkstatt reinigen, aufarbeiten und zu wunderschönen neuen Schuhen verarbeiten. Wer ein Zeitungs- oder Zeitschriftenabo hat, weiß, wie sehr es in der Seele schmerzt, kaum angerührte Exemplare direkt der Papiertonne zu übergeben. Dank einer fränkischen Schreinerei kann man die Printausgaben aber auch auf einem geölten Birkenholzsockel stapeln, mit langen Lederriemen festziehen, ein Kissen darauflegen, sich auf den Hockenheimer setzen – und eine Zeitung lesen. Nun muss Ihr Unternehmenszweck nicht grundsätzlich „humanitär“ oder „ökologisch“ sein, egal was Sie tun, es kommt darauf an, gemeinsam mit Ihren Stakeholdern nachhaltige Visionen zu leben.

4. Mission/Gemeinschaft: Wenn Sie Ihre Mitarbeiter zu guten Markenbotschaftern in der peer-to-peer Kommunikation mit Ihren Kunden machen wollen, entwickeln Sie sinnvolle Projekte, Kampagnen und Aktionen. Das schafft Loyalität. Machen sie also Ihre Mitarbeiter zu Sinnstiftern und zum Teil Ihrer Familie. Geben Sie Gestaltungsspielräume und verbinden Sie Spass und Unterhaltung mit Arbeit und Leistung. Denken Sie nicht mehr in Kategorien wie B2B und B2C, sondern werden Sie zum Beziehungsstifter. Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern eine Mission, eine Wertebasis. Definieren Sie gemeinsam wofür sie nicht nur stehen sondern einstehen wollen und unterstützen Sie sich gegenseitig auf dem Kreuzzug! Es geht um H2H , also „human to human“, persönlich, echt, authentisch. Sie wollen loyale Mitarbeiter, seinen Sie loyal und leben Sie ihre Werte vor!

5. Vision/Natur: Bei der Neudefinition des Werts Natur geht es vor allem um Gemeinschaftsprojekte, an denen Viele zum Wohle der Allgemeinheit, zur Aufrechterhaltung des natürlichen Ökosystems arbeiten. Haben Sie keine Angst vor Kontrollverlust bei so viel Demokratie. Gewöhnen Sie sich besser daran, denn es gibt keine Kontrolle. Jedenfalls nicht in dem Ausmaß, dass Sie sich wünschen. Stellen Sie sich die Frage, wovor sie Angst haben – vor dem nächsten Shitstorm, vor unzufriedenen Kunden und vielleicht im Netz zu geschwätzigen Mitarbeitern? Mal ehrlich, da gibt es ein ganz einfaches Mittel zur Lösung: Verhalten Sie sich gut, dann verhalten sich Andere auch gut, das nennt man Resonanzprinzip. Halten Sie es wie Götz Werner von DM mit der Prämisse: „Einer ist besser als der Andere“, und entwickeln sie keine Vision im Elfenbeinturm, sondern beziehen Sie ihre Crew ein. Lassen Sie Jeden seine oder ihre Rolle im Spiel erkennen, damit demonstrieren Sie Wertschätzung und schaffen Bindung an ihr Unternehmen, ihre Marke.

6. Fairness/Gerechtigkeit: Diese Bindung zeigt sich auch in der Art, wie Sie grundsätzliche Vergütungssysteme gestalten. Unterbezahlt und ausgebeutet wird sich zukünftig nicht mehr rechnen. Die neue Gesellschaftsordnung erwartet fairen Ausgleich für Leistung und teambezogene, projektbezogene Bewertungsverfahren, die so genannte soft skills ebenso einbeziehen, wie die wichtigen hard facts. Und diese soft skills werden sich auch neu formieren und definieren. Gerechtigkeit wird heute eingefordert. Im Zeitalter von Big Data heißt das, sinnvolle Verwertung und Bewertung schier unendlicher Datenströme auf Basis einer ethisch moralischen Grundhaltung. Und auch das ist eine Frage der Unternehmenskultur. Sie merken, hier wird eine Wertedebatte angestoßen, die Sie maßgeblich positiv mitgestalten können.

STRONG TIES. Der Manager als “Homo Empathicus”-H2H2H

Schaffen Sie starke Bande, werden Sie zum Beziehungsstifter zum Verbindungsoffizier, zum Relationship Manager. Denken Sie langfristig in Beziehungslebenszyklen (Annäherung, Aufbau, Reife, Degeneration). Leben Sie Ihre Unternehmenskultur vor, werden Sie zum Vorbild und machen Sie ihre Mitarbeiter zu Markenbotschaftern. Die (R)evolution unternehmerischen Denkens und Handelns drückt sich in drei wichtigen Schlüsselkompetenzen aus, die sowohl intern im Umgang mit Ihren Mitarbeitern als auch extern in der Markenkommunikation mit Ihren Kunden eine große Rolle spielen.

Haltung, Handwerk und Hingabe = H2H2H


Abb.4: Bobby Dekeyser auf moebelkultur.de

Haltung: Netzwerke und Aktionen erzielen bei Online Usern mehr Mitmach-Effekte, wenn sie glaubwürdig, nachvoll-ziehbar und nachhaltig für eine gelebte Wertehaltung, stehen. Alles, was online ist, ist überprüfbar auf virtuellen Schein oder reale Existenz. Robert (Bobby) De Keyser hat so eine spezielle Haltung in seinem Unternehmen Dedon geprägt und in seinem ersten Buch „Unverkäuflich“ eindrucksvoll beschrieben. Entwickeln auch Sie eine glaubwürdige Haltung und positionieren Sie Ihr Unternehmen und Ihre Marke klar und unmissverständlich.


Abb.5:Emmas Enkel auf e-food-blog.de

Handwerk: Digitale Plattformen stehen längst im Verdrängungswettbewerb und Ideen-Pioniere werden schnell abgelöst, daher müssen Interface, Design, Look, Sprache, Usability und Inhalte eigenständiger, wertiger und relevanter sein, sonst sind Sie digital austauschbar. Machen Sie es wie Emmas Enkel, setzen Sie auf Handwerk und Persönlichkeit statt Austauschbarkeit und das real wie digital. Nach dem Prinzip des guten alten Tante Emma Ladens haben die Betreiber Benjamin Brüser und Sebastian Diehl ein altes Geschäfts-modell wieder neu aufgelegt. Liebevoll arrangierte Lebensmittel im Laden vor Ort, die „Gute Stube“,ein integriertes Cafe´ zum klönen, diskutieren und relaxen sowie ein Online-Bestell-, und Lieferdienst machen Emmas Enkel zum Systempionier zwischen real und digital.


Abb.6:VW- 1.000.000 Beetle; rainbowstampsandcoins.blogspot.de

Hingabe: Hingabe zu ihrem Produkt, ihrer Dienstleistung, ihrer Marke, ihrem Unter-nehmen und ihren Mitarbeitern. Das sind die Multiplikatoren, die Sie brauchen, analog und digital. Lieben Sie das, was Sie bewerben, gestalten, betexten, denn gerade im digitalen Pixelraum macht Liebe zum Detail, authen-tische Sprache und eigene Überzeugung eine Umsetzung lebendig. Das ist besonders wichtig für alles Digitale, was man nie wirklich berühren kann aber auch für reale Produkte und Investitionsgüter, die Kult-charakter anstreben. Volkswagen zeigt zum Beispiel seine Hingabe zum Kultobjekt „Beetle“ mit der Glamourversion in Gold und Swarowskisteinen.

Zum Schluss noch ein paar Zahlen aus der Nielsen/Bitkom-Studie zur Social Media Nutzung 2012. 70% der Konsumenten vertrauen Reviews und Empfehlungen, das ist ein Plus von 15% seit 2008. Nur noch 47% der Konsumenten vertrauen klassischer Werbung, das ist ein Minus von 20% seit 2009. Drei von vier Menschen entdecken neue Produkte durch Reviews und Empfehlungen Ihrer Peergroup oder der Markenbotschafter, die sie für glaubwürdig halten. Das ist ein eindeutiges Signal wohin die Reise geht, oder?

Also, bedenken Sie – ohne Arme keine Kekse!


Prof. Carola-Anna Elias, Fachbereich Medien- und Kommunikationsmanagement MD.H Berlin

Wenn Sie mehr zum Thema Wertewandel und Konsequenzen für die Unternehmens-/Markenführung erfahren wollen, kontaktieren Sie Prof. Carola A. Elias unter c.elias@mediadesign-fh.de

Quellen:

  • Rifkin, Jeremy; Die Null Grenzkosten Gesellschaft – Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus; Campus 2014
  • Wippermann, Peter; Krüger, Jens; Werte-Index 2014; Deutscher Fachverlag 2014
  • Horx, Matthias; Trendreport 2014; Zukunftsinstitut GmbH 2013
  • Zahlne und Fakten: Nielsen, Bitcom, Forrester, ARD/ZDF, Statista, Alexa, facebook.com, social-media-blog.com, PwC Analyse 2012

Weiterführende Literatur:

  • El-Haggar, S.; Sustainable industrial design and waste management. Cradle-to-cradle for sustainable development. Academic Press, Burlington, 2007
  • Koisser, H. u. a.; Cradle-to-cradle, die nächste industrielle Revolution – Idee, Kritik und Interviews. In: wirks, 1 (2010), S. 5–29.
  • Luther, B.; Cradle to Cradle Product Certification. A Revolution in Product Innovation. In: International Journal of Innovation Science, Vol. 4/2012, Nr. 1, S. 1–9
  • Homma, N; Unternehmenskultur und Führung: den Wandel gestalten; Gabler 2010
  • Schein, Edgar H.; Organisationskultur: The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide; Humanistische Psychologie 2010