Verhaltensänderung oder doch lieber alte Gewohnheit?

17.03.2015

„Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“ sagte schon Heraklit von Ephesus etwa 500 Jahr vor Christus. Dennoch fallen uns Veränderungen oft schwer, vor allem, wenn wir uns bewusst verändern wollen. Für die Etablierung neuer Gewohnheiten, brauchen wir das Verständnis, warum wir so gerne am Alten festhalten sowie das Wissen um die unterstützenden Elemente, die uns eine gewünschte Verhaltensänderung erleichtert.

„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.
Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“
Georg Christoph Lichtenberg
(Experimentalphysiker, * 1.07.1742; † 24.02.1799)

Wer kennt das nicht: Die guten Vorsätze zum Beispiel zum Jahreswechsel. Zuerst sind wir hochmotiviert bei der Sache, wenn es darum geht etwas in Zukunft anders zu machen, doch dann fallen wir in die alten Gewohnheiten wieder zurück. Vergessen ist der Vorsatz, was bleibt ist ein schlechtes Gewissen, dass es wieder einmal nicht möglich war, ein neues Verhalten beizubehalten. Warum fallen uns Verhaltensänderungen so schwer? Häufig wissen wir, was für uns richtig ist oder besser wäre, tun es aber trotzdem nicht. Echte Veränderungen setzen am Verhalten an und erfordern Wille, Aufmerksamkeit, Zeit, Energie und manchmal auch Mut.


Mutig. Felsenspringer in Acapulco, Mexiko (eigenes Foto)

Um besser zu verstehen, wie Verhalten nachhaltig verändert werden kann, ist es wichtig zu verstehen wie Lernen funktioniert. Lernen ist ein Prozess, der in einer relativ konsistenten Änderung des Verhaltens oder des Verhaltenspotenzials resultiert, und basiert auf Erfahrung. Lernen findet ausschließlich durch Erfahrung statt. Eine überdauernde Verhaltensänderung erfordert eine Kombination aus neuer Erfahrung und ernst gemeinter Bereitschaft! Manchmal lernen wir auch unbewusst. Wir stellen erst zu einem späteren Zeitpunkt fest, dass wir Wissen oder ein bestimmtes Verhalten erworben haben. So haben wir zum Beispiel unbewusst unsere Muttersprache oder Treppen steigen gelernt.

Bei genauerer Betrachtung der Ereignisse in unserem Leben, stellen wir fest, dass wir in bestimmten Situationen eine starke emotionale Reaktion oder eine starke Vorliebe auf etwas zeigen. Wir haben dann etwas unbewusst gelernt und verhalten uns reflexartig, da wir im Laufe unseres Lebens konditioniert wurden. Eine Konditionierung bezeichnet ein Ereignis, dass das Auftreten eines anderen Ereignisses vorhersagt. Ivan Pavlov (1849-1936) war der wissenschaftliche Urvater dieses Lernens durch Konditionierung. Er fand heraus, dass Hunde bereits Speichelfluss entwickeln, wenn sie eine Glocke hören. Dies war möglich, weil es im Vorfeld Futter (das den Speichelfluss auslöste) im Zusammenhang mit dem ertönen einer Glocke gab. Nach einer Weile reichte für den Speichelfluss das Ertönen der Glocke, obwohl kein Futter gereicht wurde. Auf Menschen übertragen bedeutet das beispielsweise, dass jemand bereits aufgeregt ist, wenn er nur daran denkt vor vielen Leuten sprechen zu müssen. Er hat in der Vergangenheit erfahren, dass öffentliches Reden bei ihm das Herz rasen lässt, die Hände befeuchtet oder den Atem stoppt. Im Laufe der Zeit wird der Gedanke an einen Vortrag reichen, um dieselben körperlichen Symptome auszulösen. Wir haben also unbewusst gelernt, dass Vorträge vor anderen Leuten unangenehm sind und erhalten reflexartig bestimmte Körpersymptome.

Auch Veränderungen können so eine konditionierte unbewusste Reaktion auslösen, wenn wir beispielsweise in der Vergangenheit erfahren haben, dass Veränderungen mit Arbeit, Durchhalten, Gewissenskonflikten, Mühsal, Ungewissheit, Ernsthaftigkeit oder Schinderei einhergeht. Der Gedanke an eine Veränderung wird mit solchen Erfahrungen automatisch zu einer reflexartigen Vermeidungshaltung führen. Der neue Vorsatz zum Jahreswechsel ist dazu verdammt, schnell wieder in Vergessenheit zu geraten, um alten Gewohnheiten wieder Platz zu machen. Es ist gut nachzuvollziehen, dass nur die wenigsten von uns unter diesen Umständen die ernst gemeinte Bereitschaft verspüren, ein Verhalten langfristig zu verändern.


Verhaltensänderungsstraßenschild (eigene Darstellung)

Doch wie sieht die Lösung aus, um unser Verhalten dennoch zu verändern? Es geht nur durch neue Erfahrungen bzw. durch neue Konditionierungen. Wir können natürlich ebenso lernen, dass Veränderungen Spaß machen, dass sie Erfolg auslösen, Glück erzeugen und zufrieden machen. Dazu ist es hilfreich bewusst mit Verstärkern zu arbeiten. Ein Verstärker ist zum Beispiel eine Belohnung, die wir uns selber gönnen, oder die uns ein anderer schenkt. Eine solche Belohnung nennt man auch „positiver Verstärker“, er unterstützt das automatische Verhalten, das wir wollen. Es gibt auch negative Verstärker. Eine negative Verstärkung erzeugen wir oft unbewusst, nämlich immer dann, wenn wir einem auslösendem Ereignis aus dem Weg gehen. Wenn derjenige, der ungern vor vielen Leuten spricht solche Situationen vermeidet, dann entkommt er dem Herzrasen, den feuchten Händen und der Atemlosigkeit. Unbewusst verstärkt er sein Verhalten, wenn er unangenehmen Situationen einfach ausweicht. Die Folge der Vermeidung ist, dass wir sozusagen immer belohnt dafür werden, wenn wir „ ins Vermeiden“ gehen. Es hilft demnach nicht, sich weiterhin vor scheinbar unangenehmen Situationen zu drücken. Wir müssen neue Erfahrungen wollen und zulassen um neu konditioniert zu werden. Wenn wir unser Verhalten ändern wollen, dann ist es hilfreich bewusst mit positiven Verstärkern zu arbeiten. Das bedeutet, dass wir neue Erfahrungen entsprechend belohnen z. B. mit einem Spaziergang in der Natur, einem guten Buch oder hervorragendem Essen, je nachdem womit wir uns wohl fühlen und was unser Herz glücklich macht.

Ebenso wichtig für eine Verhaltensänderung wie die Belohnungen, ist auch ein wirklich großes Verlangen nach der Veränderung. Ein starker, fester Wille, ab jetzt wirklich anders zu handeln. Viele Menschen lernen diesen eisernen Willen kennen, wenn schwere Schicksalsschläge wie beispielsweise eine schwere Krankheit oder eine Kündigung zu neuem Handeln zwingen. Diese sogenannten „teachable moments“ lösen alte Gewohnheiten ab, weil wir auf eine neue unvorhersehbare Situation schnell reagieren müssen. Allerdings wäre es schlimm, wenn wir Veränderungen nur mit einem Schicksalsschlag erfolgreich umsetzen könnten. Natürlich geht es auch anders und auch der Vorsatz zum neuen Jahr hat eine gute Chance wirklich auf Dauer umgesetzt zu werden. Dafür ist es wichtig in uns hineinzuhorchen. Wenn ein neues Verhalten schwer fällt, zum Beispiel die Umsetzung des Vorsatzes mehr Sport zu treiben, dann findet unser Unterbewusstes noch zu viele Vorteile am „faul sein“ anstatt Sport zu treiben. Die Vorteile, die für mehr Sport sprechen, kennt unser Bewusstsein oft nur zu gut, darum gibt es auch diesen Vorsatz. Aber vielleicht bedeutet mehr Sport zu treiben auch weniger Zeit mit der Familie zu verbringen, was das Unterbewusste auf gar keinen Fall will. Die Argumente für das alte Verhalten liegen leider oft nicht sofort auf der Hand. Es gilt also genau zu erforschen, was das Bedürfnis beziehungsweise der versteckte Gewinn ist, um am Alten festzuhalten. Gäbe es keinen versteckten Gewinn in der alten Verhaltensweise, dann hätten wir unser Vorhaben schon lange erfolgreich in die Tat umgesetzt. Wenn das Bedürfnis, das hinter dem versteckten Gewinn steht, erkannt ist, dann gilt es auch dieses weiterhin zu befriedigen, also in diesem Fall sowohl Sport zu treiben, als auch Zeit mit der Familie einzuplanen.

Bleibt noch der Gedanke der Verhältnismäßigkeit. Manchmal ist es hilfreich, nicht sofort die totale Veränderung zu wollen, sondern in kleinen Schritten den Weg der Veränderung zu gehen. Wir sind bei kleinen Schritten schneller erfolgreich, was wiederum unsere Motivation erhöht weiter zu machen. Manchmal ist es nützlich sich von anderen Menschen dabei unterstützen zu lassen. Menschen verhalten sich „unter Aufsicht“ anders. Die Wissenschaft nennt das den „Hawthorne-Effekt“ [1] . Das bedeutet, dass wir unser Verhalten ändern, wenn wir meinen, dass wir unter Kontrolle stehen. Das können wir auch für eine Verhaltensänderung nutzen, indem wir unser Vorhaben möglichst vielen Menschen mitteilen. Es spielt dabei gar keine große Rolle, ob die Eingeweihten uns regelmäßig nach unseren Fortschritten fragen oder nicht. Wichtig dabei ist nur, dass durch die Veröffentlichung unserer Vorsätze die Möglichkeit besteht, dass wir beobachtet werden, was uns das neue gewünschte Verhalten erleichtert.

Eine echte Veränderung ist also möglich, sie erfordert allerdings Aufmerksamkeit, Zeit und Energie, sowie ein wirkliches Wollen. Auch eine positive Konditionierung kann zur Gewohnheit werden und reflexartig sich richtig gut anfühlen. Denken wir doch nur an Schokolade, gute Noten, Sport, bestimmte Musikstücke, gesellige Abende, usw. Wie stellt Laufer so treffend fest:

„Entwickeln von Verhaltensgewohnheiten:
Durch Kennenlernen zur Kenntnis.
Durch Anwenden zum Können.
Durch Wiederholen zur Gewohnheit.“

Na dann geben wir neuen Verhaltensweisen doch die Chance für neue gute Erfahrungen und machen ab morgen etwas anders als sonst, dann ist es übermorgen eine neue Gewohnheit, eine, die wir schon immer haben wollten.

[1] Der Hawthorne-Effekt ist ein Phänomen der gruppenbasierten Beobachtungsstudien, das in den 1920er Jahren bei Experimenten in den Hawthorne-Werken (Illinois, USA) entdeckt wurde. Er besagt, dass die Teilnehmer einer Studie ihr natürliches Verhalten ändern, weil sie wissen, dass sie an einer Studie teilnehmen und unter Beobachtung stehen.

Literaturhinweise
  • Diesbrock, Tom (2011): Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab!, Wie Sie sich die innere Freiheit nehmen umzusatteln, Campus, Frankfurt/Main
  • Gerrig, Richard J., Zimbardo, Philip G. (2008): Psychologie, 18. Aufl., Pearson Studium, München
  • Gulder, Angelika (2013): Finden den Job, der Dich glücklich macht, von der Berufung zum Beruf, Campus, Frankfurt/Main
  • Krelhaus, Lisa (2012): Wer bin ich – wer will ich sein?, Ein Arbeitsbuch zur Selbstanalyse und Zukunftsgestaltung,8. Aufl., mvg, München
  • Laufer, Hartmut (2005): Grundlagen erfolgreicher Mitarbeiterführung, Gabal, Offenbach
  • Roth, Gerhard (2011): Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten: Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern, 6. Aufl., Klett-Cotta, Stuttgart
  • Seligman, Martin E. P. (2012): Der Glücks-Faktor, warum Optimisten länger leben, 9. Aufl., Bastei Lübbe, Köln
  • Storch, Maya (2005): Das Geheimnis kluger Entscheidungen, Goldmann, München
  • Tiggelaar, Ben (2010): Träume, Wage, Tun - Wie Sie den schwierigsten Menschen der Welt managen: sich selbst, Gabal, Offenbach
  • Zeug, Katrin (2013): Mach es anders! Neue Gewohnheiten zu etablieren ist einfacher, als alte abzulegen, ZEIT Wissen Nr. 02/2013, in: http://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/02/Psychologie-Gewohnheiten/seite-4, (Letzter Zugriff: 16.09.2014)